Heilwirkung: Die heilende Hand

Heilwirkung und Heilkraft der Händevon Dr. med. Kon­rad Grams.

Fast jeder kennt die beru­hi­gen­de und schmerz­lin­dern­de Wir­kung der Hand. Die meis­ten haben es aber ver­ges­sen. Wenn ich hier über die Heil­wir­kung der Hand schrei­be, wird man­cher über­le­gen und ungläu­big lächeln, ohne dar­an zu den­ken, daß er viel­leicht schon unbe­wußt eine hei­len­de und beru­hi­gen­de Wir­kung mit sei­ner Hand aus­ge­übt hat.

Daß mit den Hän­den Heil­wir­kun­gen erzielt wer­den kön­nen, war schon im Alter­tum bekannt. Igna­ti­us von Loyo­la, der Stif­ter der Gesell­schaft Jesu, der als glaub­wür­di­ger For­scher sei­ner Zeit bekannt ist, berich­tet mehr­fach dar­über. Bei christ­li­chen und reli­giö­sen Zere­mo­nien fin­den wir noch heu­te das Handauflegen.

Im Alten Tes­ta­ment (2. Buch der Köni­ge) sowie im Neu­en Tes­ta­ment wird an meh­re­ren Stel­len von der Heil­wir­kung der Hän­de gespro­chen. Im Mar­kus­evan­ge­li­um steht: „Als Jesus in Naza­reth war, leg­te er den Sie­chen die Hän­de auf und hei­le­te sie“.

Grei­ser schreibt: „Man mag sich zu all den Wun­der­erschei­nun­gen des Hand­auf­le­gens des gro­ßen Gott­men­schen stel­len, wie man will, eines steht dabei immer fest: sein Auf­tre­ten und Wir­ken ver­liert an sei­ner gesam­ten Wert­be­deu­tung auch für den Reli­giö­ses­ten unter uns nicht das gerings­te, wenn man einen Teil sei­ner Wun­der­wirk­sam­keit, z. B. den­je­ni­gen, den er eben nur durch das „ein­fa­che“ Hand­auf­le­gen erreich­te, der heu­ti­gen­tags wis­sen­schaft­lich begrün­de­ten und phy­sisch natur­ge­mäß erklär­li­chen Heil­kraft des mensch­li­chen Magne­tis­mus zuschreibt.“

Ich möch­te an Stel­le des Magne­tis­mus „Heil­strom­kraft der Hän­de“ sagen. Die­se Bezeich­nung habe ich zum ers­ten Male gefun­den in dem Buch „Von der Heil­strom­kraft der Hän­de“, von Dr. Her­bert Lack­ner und Toni von Set­ten. Aus dem Fran­zö­si­schen des O. Wirth über­setzt. Das Buch han­delt von der Über­tra­gung der Lebens­kraft. Hei­len mit der Strom­kraft der Hän­de kann jeder. Es ist ein siche­res und ein­fa­ches Ver­fah­ren. Dar­um soll­te sich in jeder Fami­lie ein gesun­des Mit­glied fin­den zur Über­mitt­lung von Heil­strom­kräf­ten. Der rich­ti­ge Gebrauch der Heil­strom­kraft erzeugt in dem Aus­üben­den neue Kräf­te und Seelenreinheit.

Daß der Ver­fas­ser mit der Strom­kraft der Hän­de recht haben kann, mag aus fol­gen­den Erwä­gun­gen her­vor­ge­hen, die mir beim Lesen des Buches kamen:

Wir haben in unse­rem Kör­per an anor­ga­ni­schen Bestand­tei­len Metal­le (Eisen usw.) und Sal­ze. Bei Berüh­rung der Metal­le und Sal­ze ent­steht ein Strom (elek­tro-gal­va­ni­scher Strom). Außer­dem ist die Erde ein Magnet. Die Magnet­na­del wird an jeder Stel­le in die Nord-Süd-Rich­tung ein­ge­stellt. Dies kann jedoch nur dann gesche­hen, wenn ein star­ker magne­ti­scher Strom die gan­ze Erde durch­zieht. Dies ist doch denk­bar; man den­ke nur an die seis­mo­gra­phi­schen (Erd­be­ben-) Apparate.
Die­se magne­ti­sche Kraft der Erde muß selbst­ver­ständ­lich auch alle mit der Erde ver­bun­de­nen Kör­per durch­strö­men, beson­ders die Strom­lei­ter, die Metal­le. Da wir ja ein gut lei­ten­des Metall (Eisen) in unse­rem Blu­te haben, müs­sen auch durch den Erd­strom in unse­rem Kör­per Strö­me erzeugt wer­den. Da elek­tri­sche Strö­me am leich­tes­ten aus Spit­zen aus­strah­len, ist es wohl mög­lich, daß die­ser elek­tri­sche Strom aus unse­ren Fin­ger­spit­zen ausstrahlt.

Da zwei mit ver­schie­de­ner Strom­stär­ke gela­de­ne Kör­per das Bestre­ben haben, ihren Strom aus­zu­glei­chen, so müs­sen auch zwei Men­schen ihren Strom aus­glei­chen kön­nen, das heißt, der­je­ni­ge mit, grö­ße­rer Strom­stär­ke gibt dem mit gerin­ge­rer Strom­stär­ke ab.

So erklä­re ich mir das Wesen des Heil­ma­gne­tis­mus, oder jetzt bes­ser gesagt der „Heil­strom­kraft“. Die oft wun­der­ba­ren Heil­wir­kun­gen des Heil­ma­gne­tis­mus kön­nen nicht immer auf Sug­ges­ti­on beru­hen, obwohl bei die­ser Behand­lung sicher ein gut Teil Sug­ges­ti­on mit­wirkt. Über die Behand­lung möge man in dem ange­führ­ten Buche „Die Heil­strom­kraft der Hän­de“ nach­le­sen, wel­ches leicht­ver­ständ­lich geschrie­ben ist.

Übri­gens lese ich noch in Kauff­mann „Heil­erfol­ge mit Sug­ges­ti­on und Hyp­no­se“ auf Sei­te 27: „Nach neue­ren Unter­su­chun­gen gibt es auch eine Haut­elek­tri­zi­tät, und es ist mög­lich, daß Leu­te, die gut hyp­no­ti­sie­ren kön­nen, über beson­ders aus­ge­präg­te elek­tri­sche ‚Ladun­gen‘ ver­fü­gen“. Aber ande­rer­seits ist doch zu beto­nen, daß ein- und der­sel­be Hyp­no­ti­seur bei einer Per­son Erfol­ge haben kann, bei einer ande­ren aber nicht. Wie dies ähn­lich ja auch Kauff­mann aus­ge­drückt hat.

Die­se Ansicht deckt sich mit mei­ner Annah­me von der elek­tri­schen Kraft des Kör­pers. Wenn bei dem einen die Heil­wir­kung nicht ein­tritt, dürf­te er viel­leicht mehr Strom haben wie der Behan­deln­de. Mit­hin muß von dem Pati­en­ten Strom über­flie­ßen auf den Behan­deln­den. Dage­gen wird er beein­flußt von jemand, der eine grö­ße­re Strom­kraft hat, wie dies ja auch Kauff­mann dar­ge­legt hat.

Wie wir uns die Heil­kraft der Hän­de erklä­ren, ist schließ­lich gleich­gül­tig. Haupt­sa­che ist, sie besteht. Denn eine wei­che, sanf­te Hand und ein lei­ses, freund­li­ches Wesen sind jedem Kran­ken die größ­te Wohl­tat. Wo es sich um eine schwe­re Krank­heit han­delt oder wo das gan­ze Ner­ven­sys­tem ergrif­fen ist, sind die güti­gen und hei­len­den Hän­de oft das ein­zi­ge Mit­tel, die flie­hen­de Lebens­kraft zurück­zu­hal­ten. Jeder schwer erkrankt gewe­se­ne wird es mir bestätigen.

Autor
• Kon­rad Grams, Ber­lin, 1928 (Begrün­der der Bicom­­plex-The­ra­pie).
Quel­le
• Grams K: Die hei­len­de Hand. Zen­tral­blatt für Okkul­tis­mus. 1928/29;12:222–4.
Bild­nach­weis
• Vadim Guzhva (fotolia.com, 125320977)

Kom­men­tar
Rai­ner H. Buben­zer, Gesund­heits­be­ra­ter, Ber­lin, 2018.

Fast völ­lig ver­ges­sen ist, dass die zen­tra­le Tätig­keit eines Arz­tes tra­di­tio­nell nicht das Zäh­len von Geld war, son­dern die Be-Handlung der Pati­en­ten. Also der Ein­satz der eige­nen Hän­de zum Zwe­cke des Hei­lens. Heu­te, in einer Zeit, in der die meis­ten Ärz­te die Berüh­rung ihrer Pati­en­ten panisch ver­mei­den und lie­ber Labor- und ande­re tech­ni­sche Befun­de als „Zugang“ zum Kran­ken wäh­len, haben ande­re Men­schen die „Be-Han­d­­lung“ und damit die Heil­wir­kung der Hän­de über­nom­men: Phy­sio­the­ra­peu­ten oder man­che Alternativ-Behandler.

Der kur­ze Text des Begrün­ders der Schü­ß­­ler-Kom­­plex­­mi­t­­tel („Bicom­ple­xe“), Kon­rad Grams (1878–1947), zeigt ein Dilem­ma vie­ler Kom­­p­le­­men­­tär- und Alter­na­tiv­me­di­zi­ner in einer Zeit des explo­si­ven Wachs­tums der „Schul­me­di­zin“, also der ver­mehrt auf natur­wis­sen­schaft­li­chen Über­le­gun­gen und Grund­la­gen beru­hen­den Medi­zin vor etwa 100 Jah­ren. Hän­de­rin­gend ver­such­ten damals vie­le „Alter­na­tiv­me­di­zi­ner“, zen­tra­le Ereig­nis­se bei der Hei­lung von Men­schen, mit gera­de bekannt gewor­de­nen wis­sen­schaft­li­chen Beob­ach­tun­gen und neu­es­ten Theo­rien zu erklären.

Grams betont zwar ganz rich­tig, dass das Phä­no­men der Heil­wir­kung von hei­len­den Hän­de seit Urzei­ten bekannt ist. Er kann die­se Tat­sa­che aber nicht so ste­hen las­sen! Son­dern er muss das aus heu­ti­ger Sicht lächer­lich erschei­nen­de, vor 100 Jah­ren aber noch moder­ne Kon­zept der Bio­elek­tri­zi­tät zu Hil­fe holen. Ohne jedoch damit auch nur irgend­ei­ne Erklä­rung zu lie­fern, wie die Hei­lung denn erfolgt. Wer das seit Urzei­ten von allen Men­schen beob­ach­te­te Phä­no­men der Lebens­kraft nicht mehr erwäh­nen will, obwohl auch Grams größ­ter Leh­rer – der Begrün­der der Homöo­pa­thie, Samu­el Hah­ne­mann (1755–1843) – die Lebens­kraft in das Zen­trum sei­ner Über­le­gun­gen stell­te, muss mit sei­nen Inter­pre­ta­tio­nen schei­tern. Genau­so wie der ande­re wich­ti­ge Leh­rer Grams – der Begrün­der der Bio­mi­ne­ral­salz­the­ra­pie, Wil­helm Hein­rich Schüß­ler (1821–1898) -, der die Wir­kun­gen sei­ner hoch ver­dünn­ten Mine­ral­stoff­prä­pa­ra­te mit einem kör­­per­­lich-phy­­si­­schen Man­gel an genau die­sen Mine­ral­stof­fen begrün­de­te. Eine Vor­stel­lung, deren Nach­weis genau­so schei­ter­te wie jene von der heil­sa­men Wir­kung irgend­wel­cher (bio-)elektrischer Ströme.

Den­noch ist Grams von tiefs­tem Her­zen Arzt und endet sei­ne Betrach­tung zur Heil­wir­kung der Hän­de mit einer Anmer­kung, die alle guten Ärz­te bis heu­te machen, wenn sie zusam­men­fas­sen, dass die Medi­zin kei­ne Wis­sen­schaft ist: „Wie wir uns die Heil­kraft der Hän­de erklä­ren, ist schließ­lich gleich­gül­tig. Haupt­sa­che ist, sie besteht“. Und, so ist zu ergän­zen, wich­tig ist, dass sie aktiv von Ärz­ten und ande­ren The­ra­peu­ten ein­ge­setzt wird!

Wei­te­re Infos
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Ver­ein­te Heil­kraft – die Schüßler-Kombipräparate
• Bar­tens W: Heil­kraft der Hän­de. Süd­deut­sche Zei­tung, 26. Juni 2017.
• Gold­stein P, Weis­s­­man-Fogel I, Shamay-Tso­o­ry SG: The role of touch in regu­la­ting inter-par­t­­ner phy­sio­lo­gi­cal cou­pling during empa­thy for pain. Sci Rep. 2017 Jun 12;7(1):3252 (DOI | PMID | PDF-Vol­l­­text).