Jalappenwinde

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Jal­ap­pen­win­de, Con­vol­vu­lus Ial­ap­pa, L. [Reg­nault bot. tab. le vrai Ial­ap]mit ungleich geform­ten, theils herz­för­mi­gen, ecki­gen, läng­lich­ten, theils lan­zet­för­mi­gen Blät­tern, gewun­de­nen Sten­gel, und ein­blüt­hi­gen Blu­men­stie­len, eine bis zehn Schuh hohe, peren­ni­ren-de Pflan­ze, im Mexi­ka­ni­schen, um die Stadt Xal­ap­pa (daher ihr Name) und bei Vera Crux.

Daß die Jal­ap­pen­win­de die wah­re Mut­ter­pflan­ze uns­rer Jal­ap­pe sei, lei­det kei­nen Zwei­fel, und es wäre gut, wenn nur die Quel­le aller andern exo­ti­schen Wur­zeln so gewiß wäre. Wenn man Plü­mier aus­nimmt, der sie zur Gat­tung Mira­bi­lisrech­net, und zu des­sen Zei­ten wohl eine Art Jal­ap­pe aus die­sem Pflanz­enge-schlech­te her­rüh­ren moch­te, hat kei­ner, der die­se Wur­zel von Mira­bi­lisher­lei­tet, als Augen­zeu­ge davon gere­det, oder die wah­re Jal­app­pflan­ze an Ort und Stel­le gese­hen. Spiel­mann, Gledit­sch und Ber­gi­us haben blos aus der äußer­li­chen Aehn­lich­keit der Wur­zeln, und der abfüh­ren­den Wir­kung schwan­ken­de Schlüs­se gezo­gen, unge­ach­tet auch die Pur­gir­kraft eini­ger der­sel­ben nur schwach befun­den wor­den ist.

Dage­gen haben sie Rai und Slo­ane der Jal­ap­pen­win­de zuge­spro­chen, so wie Pluck­en­et, des­sen Abbil­dung der von Her­nan­dez, einem Augen­zeu­gen, nahe kömmt; ihnen tritt ohne Beden­ken Dale, Paul Her­mann und zulezt Lin­né bei. Zur Gewiß­heit aber wird die­se Behaup­tung durch Hous­to­un, von dem Mil­ler sei­ne Jal­app­wur­zeln erhielt, womit er die sie für ächt erken­nen­den Lond­ner Apo­the­ker ver­sorg­te. Jener hat­te sie selbst in Neu­spa­ni­en gesam­melt, und brach­te die Pflan­ze davon mit nach Lon­don, wel­che, wie er, so auch Mil­ler, und Bern­hard von Jüs­sieu, der sich damals in Lon­don auf­hielt, ein­stim­mig für die Jal­ap­pen­win­de erkann­ten. Auch Menon­ville hat sie bei Vera Crux von die­ser Pflan­ze gesam­melt und die Apo­the­ker haben sie für die wah­re erkannt.

Man erhält die­se Wur­zel (rad. Ial­ap­pae, Ial­apii, Gial­ap­pae, Mechoac. nigrae) ent­we­der als zwei Lini­en dicke, tha­ler­gro­ße, Schei­ben, oder der Län­ge nach zer­schnit­ten in get­heilt birn­för­mi­gen Stü­cken. Sie ist dicht, schwer, von außen schwärz­licht und runz­licht, inner­lich dun­kel­grau, mit dun­kel­brau­nen, kon­zen­tri­schen Strei­fen durch­zo­gen; im Bru­che muß sie häu­fi­ge, flim­mern­de Harzt­heil­chen zei­gen, sich schwer zer­bre­chen, aber leicht zu Pul­ver sto­ßen las­sen, ans Licht gehal­ten sich leicht ent­zün­den, und fortbrennen.

Ihr besond­rer Geruch ist schwach aber ekel­haft. Ihr Geschmack ist auf der Zun­ge gering, aber pri­ckelnd, vor­über­ge­hen­den Ekel und Spei­chel erre­gend, krazt aber mehr hin­ten im Schlunde.

Die schwam­mi­gen, leich­ten, weiß­li­chen, leicht­brü­chi­gen (zuwei­len unter­ge­schob­ne, außer­dem noch an ihren Rin­gen kennt­li­che Wur­zel der Gicht­wurz­zaun­re­be), und die wurm­sti­chi­gen Stü­cken müs­sen ver­wor­fen werden.

Die Jal­app­wur­zel ist ein berühm­tes Pur­gir­mit­tel, wel­ches in Beschwer­den, wo die Gedär­me mit eini­gem Reit­ze aus­ge­leert wer­den dür­fen oder müs­sen, voll­kom­men sicher und zweck­mä­ßig ist. Der mehr oder weni­ger reit­zba­re Zustand des Darm­ka­nals macht aber eine gro­ße Abän­de­rung der Gabe noth-wen­dig, wel­che, weni­ger als man glaubt, in der ver-schied­nen Kraft der (fri­schen, wohl auf­be­wahr­ten) Wur­zel beruht. Blos vom Arzte darf die Gabe bestimmt wer­den. Erwach­se­ne ertra­gen oft nicht den drit­ten Theil von dem, was einem acht­jäh­ri­gen Kin­de wenig Wir­kung leistet.

Gepül­vert muß sie in wohl ver­stopf­ten Glä­sern auf­ge­ho­ben wer­den, weil der Zugang der Luft ihre Pur-gir­kraft bald mindert.

Die Kraft die­ser Wur­zel liegt in dem eig­nen Har­ze (resi­na lal­ap­pae), wovon sie 3/​6 bis 3/​13 ihres Gewichts ent­hält, unge­ach­tet man bei der gewöhn­li­chen Aus­zie­hung oft nur 1/​8 bis 1/​7 bekömmt. Zu die­ser Absicht gießt man auf Ein Pfund (nicht all­zu grob­lich) gepul­ver­te Jal­app­wur­zel vier Pfund rek­ti­fi­zir­ten Wein­geist in einem der stärks­ten glä­ser­nen Gefä­ße, wel­ches nur zur Hälf­te davon ange­füllt wird; man erhitzt das Gemisch in der Sand­ka­pel­le bis zum Anfan­ge des Sie­dens des Wein­geists, ver­schließt dann sogleich die Mün­dung mit ihrem Stöp­sel so fest und luft­dicht, wie mög­lich, und erhält eine Diges­ti­ons­wär­me von 180 Gra­den zwölf Stun­den lang. (Der glä­ser­ne Diges­tor (s. oben S. 229.) ist das schick­lichs­te Gefäß hie­zu, und dann wird die Extrak­ti­on im sie­den­den Was­ser­ba­de bin­nen einer Stun­de been­digt.) Man öff­net das Gefäß, gießt das noch hei­ße, umge­schüt­tel­te Gemisch in einen lei­ne­nen Spitz­beu­tel, läßt die Tink­tur größ­tent­heils durch­sei­hen, und preßt das übri­ge all­mäh­lig, zuletzt stark, aus. Der Rück­stand kann noch mit zwei Pfund Wein­geist eben so diger­irt, die noch hei­ße Tink­tur durch Aus­pres­sen abge­schie­den und mit ers­te­rer ver­mischt werden.

Die­se Tink­tu­ren wer­den schon beim Erkal­ten trü­be; man beför­dert die Abschei­dung des Har­zes durch Zumi­schen glei­cher Thei­le kal­ten Was­sers. Man ver­bin­det den weit­mün­di­gen Kol­ben mit nas­ser Bla­se, und läßt dem Har­ze Tag und Nacht Zeit sich abzu­set­zen. Von der übri­gen gefärb­ten Flüs­sig­keit zieht man durch Destil­la­ti­on die Hälf­te, als Wein­geist ab, ver­mischt den Rück­stand mit glei­chen Thei­len Was­ser, und läßt das übri­ge Harz sich noch dar­aus abset­zen. Bei­de Har­ze kne­tet man so lan­ge mit war­mem, erneu­er­tem Was­ser, bis es sich nicht mehr färbt, und trock­net das Harz auf wei­ßem Papier an einem schat­ti­gen, luf­ti­gen Orte. Die­ses bis zur Brü­chig­keit getrock­ne­te Harz läßt man in einer erwärm­ten Scha­le zusam­men­flie­ßen und formt gedreh­te Stän­gel­chen dar­aus, die man als Jal­app­harz in ver­stopf­ten Glä­sern auf­hebt. Da das käuf­li­che Jal­app­harz so äußerst ver­mischt und ver­fälscht ist, daß kein Apo­the­ker, wel­cher nur im min­des­ten Anspruch auf Recht­schaf­fen­heit macht, es je kau­fen darf, son­dern immer selbst ver­fer­ti­gen muß, so ist es unnö­thig anzu­zei­gen, daß das äch­te Harz äußerst leicht zer­brech­lich, von star­kem Jal­app­ge­ruch, durch­schei­nend und roth­bräun­lich ist, auf Koh­len kei­nen Pech- oder Kol­pho­ni­um­ge­ruch von sich gie­bt, und in Wein­geist leicht und völ­lig auf­lös­bar ist.

Das Jal­app­harz, wel­ches so sel­ten Vor­zü­ge vor der Jal­app­wur­zel zeigt, dage­gen in so vie­len Fäl­len als ein darm­ent­zün­den­des Gift wirkt, ist nur heroi­schen Aerz­ten zum Pur­gir­mit­tel zu über­las­sen. Es wird am bes­ten durch Ver­mi­schung mit glei­chen Thei­len Sei­fe, Auf­lö­sung bei­der in Wein­geist, und Ein­di­ckung zur Extrakt­kon­sis­tenz (sapo res­i­nae ial­ap­pae) gemil­dert.