Latwerge

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Lat­wer­ge, (Elec­tua­ri­um) ist eine Arz­nei­form aus einem gewöhn­lich süßen Saf­te, dem Vehi­kel und der eigent­lich arz­nei­li­chen Sub­stanz zusam­men­ge­mischt, von einer so dick­li­chen Kon­sis­tenz, daß man etwas davon mit einer Mes­ser­spit­ze oder Spa­tel neh­men kann, ohne daß es von der Sei­te her­un­ter fließt, und doch nicht so dick, daß sie nicht bequem hin­un­ter geschlurft wer­den könn­te. Man nimmt sie Mes­ser­spit­zen- und Theelöffelweise.

Gewöhn­lich wer­den, nicht übel schme­cken­de Pul­ver vege­ta­bi­li­scher Sub­stan­zen mit einem Sirup, mit Honig oder einer Kon­ser­ve ein­fach durch Rüh­ren mit dem Agi­ta­kel ver­mischt, als Lat­wer­ge gebraucht.

Sel­ten wer­den hef­tig wir­ken­de Mit­tel, z.B. Pur­gan­zen, Brech- oder Mohn­saft­mit­tel in die­ser Form gege­ben, da die Dosis beim Ein­neh­men nicht so genau bestimmt wer­den kann.

Auch die Queck­sil­ber­mit­tel kön­nen kein Ingre­di­enz abge­ben, da die Mas­se zur Lat­wer­ge doch halb­flüs­sig seyn muß, und sie in die­ser all­mäh­lich zu Boden sin­ken, wenigs­tens bald ein unglei­ches Gemisch geben.

Selbst die Eisen­fei­le wird nicht schick­lich dazu genom­men, weil in jedem süßen Saf­te etwas Säu­re her­vor­sticht, oder sich doch bald ent­wi­ckelt, womit die Eisen­fei­le auf­zu­schwel­len, auf­zu­brau­sen und einen stin­ken­den Geruch und übeln Geschmack nach brenn­ba­rer Luft von sich zu geben pflegt.

Eben so müs­sen alle unche­mi­sche, sich unter ein­an­der zer­stö­ren­de, auf­brau­sen­de Gemi­sche u.d.g. aus Lat­wer­gen ver­bannt werden.

Zu Pul­vern von Wur­zeln und Kräu­tern sind zwar dem ers­ten Ansehn nach, zwey Thei­le eines guten Zucker­si­rups oder eines ähn­li­chen aus auf­ge­lös­tem und wie­der zur Sirups­di­cke ein­ge­koch­tem Honi­ge hin­rei­chend, da aber die­se Pul­ver all­mäh­lich mehr Feuch­tig­keit in sich neh­men, und die Kon­sis­tenz nach eini­gen Stun­den zu dick wird, so thut man wohl, gleich anfäng­lich drei Thei­le Saft zu neh­men, wor­aus, so flüs­sig die Lat­wer­ge Anfangs scheint, doch die rech­te Kon­sis­tenz nach eini­gen Stun­den entsteht.

Die Pul­ver müs­sen sehr fein seyn.

Für Gum­men, Gum­mi­har­ze und Har­ze rech­net man etwa ein glei­ches Gewicht an Zucker- oder Honigsaft.

Wo roher Honig zur Mischung ver­langt wird, muß die­ser steif und gleich­ar­tig, nicht kör­nig seyn.

Soll­ten ja mine­ra­li­sche Sub­stan­zen in die­ser Form gege­ben wer­den, so müß­te kaum die Hälf­te Saft genom­men, und eine fast bis­sen­ähn­li­che Kon­sis­tenz dar­aus wer­den, damit sie sich nicht dar­aus zu Boden setzen.

Kom­men auch and­re, nicht zu pül­vern­de Sub­stan­zen, z.B. Extra­c­te, Kon­ser­ven u.s.w. dazu, so müs­sen die­se vor­erst gleich­för­mig mit dem Sirup gemischt, oder in der vor­ge­schrie­be­nen Flüs­sig­keit auf­ge­lö­set wer­den, ehe man die Pul­ver zuschüt­tet. Ganz zuletzt wer­den Oele und Bal­sa­me zugesetzt.

Die über­flüs­si­ge Feuch­tig­keit des Marks und der Pul­pe der Früch­te muß vor­her über gelin­dem Feu­er abge­dampft wer­den, ehe die andern Stü­cke zuge­setzt werden.

Die übel­schme­cken­den und über­haupt unan­ge­nehm ein­zu­neh­men­den Din­ge, deren Geschmack durch Mischung mit süßen Säf­ten auf der Zun­ge erst recht ent­wi­ckelt wird, und so durch das lan­ge Ver­wei­len im Mun­de unleid­lich wird, las­sen sich am bes­ten in die Gestalt einer Lat­wer­ge brin­gen durch Gum­mi­schlei­me und eini­gen Zusatz von wei­chem Süß­holz­ex­tra­c­te. So glei­ten sie unbe­merk­ter hin­un­ter und las­sen kei­nen Geschmack im Mun­de zurück.

Sel­ten wer­den Lat­wer­gen zu weni­ger als Einer, oder zu mehr als drei Unzen auf ein­mal verschrieben.

So weit von Lat­wer­gen als Magis­tral­for­meln; was hin­ge­gen die lei­der noch immer in Apo­the­ken vor-räthig zu hal­ten­den Lat­wer­gen betrift, von denen eini­ge Kon­fek­tio­nen genannt wer­den, so hat man theils ihrer Ver­trock­nung, theils ihrer Gäh­rung und dem Schim­mel vorzubauen.

So schlägt man vor, der auch nur eini­ge Tage auf­zu­be­wah­ren­den Fie­ber­rin­den­lat­wer­ge etwas von einer Kon­ser­ve zuzu­set­zen, ihr jäh­lin­ges Ein­trock­nen zu verhindern.

Gegen die wei­nich­te und Essig­gäh­rung, so wie gegen die Schim­mel­ver­derb­niß die­ser Lat­wer­gen dient zwar in etwas die Auf­be­wah­rung an einem mög­lichst kal­ten Orte im Kel­ler und in wohl vor der Luft ver­schlos­se­nen Gefä­ßen, wozu vor­züg­lich die stei­ner­nen Kru­ken mit Schrau­ben von ähn­li­chem Stein­zeu­ge zu emp­feh­len sind; aber es ist doch nur eine unge­wis­se Hül­fe, da die genann­ten Gäh­run­gen und Ver­derb­nis­se, wenn man etwa die Essig­gäh­rung aus­nimmt, auch zum Theil in ver­schlos­se­nen Gefä­ßen vor sich geben.

Ob man gleich von eini­gen Lat­wer­gen behaup­ten will, daß die inne­re Gäh­rung, denen sie alle gar bald und lan­ge Zeit hin­durch unter­wor­fen sind, der Arz­nei­kraft der dar­in befind­li­chen Ingre­di­en­zen wenig oder kei­nen Abbruch thue, so ist doch die­ses nicht anzunehmen.

Die mit Frucht­säf­ten und Gum­mi­schlei­men zusam­men­ge­setz­ten Lat­wer­gen hören zwar bald auf, zu gäh-ren, sie schim­meln aber dage­gen, trock­nen ein und ver­der­ben gänz­lich. Der bes­te Rath gute offi­ci­nel­le Lat­wer­ge vor­räthig zu haben, besteht dar­in, ent­we­der nur sehr gerin­ge Quan­ti­tä­ten davon auf ein­mal zu berei­ten, und wenn die­se ver­braucht sind, wie­der fri­sche, oder, wel­ches weit vor­zu­zie­hen, die Pul­ver dazu in wohl­ver­stopf­ten Glä­sern vor­räthig zu hal­ten, und die eben ver­ord­ne­te Quan­ti­tät, aus dem Steg­rei­fe zusam­men zu mischen.

Die Kon­fek­tio­nen, wozu Mohn­saft kömmt, müs­sen, wenn sie ein­ge­trock­net sind, nicht mit Sirup oder Honig ver­dünnt wer­den, weil durch die­se schwe­ren Sub­stan­zen die Dosis unge­wiß wür­de, son­dern mit­telst eines geis­ti­gen Wei­nes. Eini­ge schla­gen Kana-rien­sekt dazu vor.