Luftsäure

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Luft­säu­re, (Aer sixus, Aci­dum aere­um) ist eine Gas­art, wel­che häu­fig in den Kalk­er­den z.B. der Krei­de und den mil­den Lau­gen­sal­zen ange­trof­fen wird und sich dar­aus beim Zusatz einer Säu­re, unter Auf­brau­sen der Mischung, ent­wi­ckelt, sonst aber von selbst am häu­figs­ten aus weingäh­rungs­fä­hi­gen Sub­stan­zen, dem Obst- und Wein­mos­te, dem gehef­ten Malz­auf­gus­se, u.s.w.

Die­ses Gas ist schwe­rer als die andern Luft­ar­ten, schmeckt sehr sau­er, löscht die Flam­me aus, erstickt ein­ge­ath­met alle, am geschwin­des­ten die warm­blü­ti­gen Thie­re, löst sich in weni­ger als einem glei­chen Umfan­ge kal­tem Was­ser lang­sam auf, und schei­det sich dar­aus durch Sie­den oder Gefrie­ren des Wassers.

Wird sie ja in luft­för­mi­ger Gestalt ver­langt, wie sel­ten, so berei­tet man sie am leich­tes­ten reins­ten und vort­heil­haf­tes­ten, wenn man eine glä­ser­ne Fla­sche mit einer Mischung aus acht­zehn Unzen gepül­ver­ten Wein­stein­krystal­len und sechs Unzen gerei­nig­tem Po-taschlau­gen­sal­ze in zwölf Unzen kal­tem Was­ser auf-gelö­set, eben bis an den Hals anfüllt, über den Hals eine erweich­te, aus­ge­drück­te Schweins­bla­se fest­bin­det, und die all­mäh­li­che Anfül­lung der Bla­se erwar­tet, sie dann über dem Hal­se abbin­det und zum Gebrau­che anwen­det oder ver­wah­ret, und sofort eine fri­sche, lee­re Bla­se und meh­re­re wie­der vor­bin­det, bis die Luft­säu­re sich zu ent­wi­ckeln auf­hö­ret. (Dann ist die Ver­bin­dung der Mischung in der Fla­sche zum tar­ta­ri-sir­ten Wein­stein gesche­hen, den man ander­weit rei­nigt und zur trock­nen Gestalt bringt).

Die Ent­wi­cke­lung der Luft­säu­re wird durch Erwär­men der Fla­sche nöthi­gen­falls beschleu­nigt; dann steigt aber die Flüs­sig­keit leicht in die Bla­se über.

Man hat sie in luft­för­mi­ger Gestalt auf fau­lich­te Geschwü­re ange­bracht und als Klys­ti­er ein­ge­spritzt, statt des­sen man aber beque­me­re und wenigs­tens eben so kräf­ti­ge fäul­niß­wid­ri­ge Mit­tel hat.

Sonst dient sie phar­ma­zeu­tisch, das Pota­schlau­gen­salz und den Sal­mi­ak­geist zu trock­nen Krystal­len zu brin­gen, so wie zur Berei­tung der Mine­ral­was­ser, w.s.

Zum innern Gebrau­che bringt man sie am bequems­ten in Was­ser auf­ge­löst (Mine­ral­was­ser) in den Magen, oder auch durch gleich­zei­ti­ges Ver­schlu­cken einer Säu­re und eines Lau­gen­sal­zes z.B. einer Mischung aus drei Thei­len gerei­nig­tem Wein­stei­ne und Einem Thei­le Mine­ral­lau­gen­salz (Pul­vis aero­pho-rus), oder einer hal­ben Unze Zitron­saft mit funfzehn Gran Wein­st­ein­salz gemischt (Mix­tu­ra ante­me­ti­ca River­ii.)

Auf letz­te­re Wei­se jäh­ling im Magen ent­wi­ckelt stillt sie hef­ti­ges Erbre­chen, in jeder Form aber ist sie ein vor­züg­li­ches anti­s­kor­bu­ti­sches, küh­len­des und Harn trei­ben­des Mittel.

Durch Luft­säu­re aus gäh­ren­den Flüs­sig­kei­ten gefähr­li­che Oer­ter, Kel­ler, alte Brun­nen, u.s.w. wer­den durch ein­ge­wor­fe­nen, frisch gelösch­ten Kalk gebes­sert. An sol­chen Oer­tern Erstick­ten dient unter andern vor­züg­lich der kaus­ti­sche Salmiakgeist.