Wirkung
Von Hippokrates1 wurde der Wermut gegen Gelbsucht, Tetanus und als uterusreinigendes Mittel angewandt2.
Die hl. Hildegard3 gebrauchte ihn gegen Magenschwäche und Zahnschmerz.
Als magenstärkend (jedoch nur bei vollem Magen), wurmvertreibend, stuhlerweichend, grimmenstillend, emmenagog, als hilfreich bei Milzstechen, Vergiftungen, Wunden, Schwellungen, Pruritus und als Prophylaktikum gegen Seekrankheit führt Paracelsus4 den Wermut an. Lonicerus5 rühmt recht viele Tugenden des Wermuts, so seine magenstärkende und ‑wärmende, verdauungsfördernde, appetitanregende, leber- und milzreinigende Kraft und die günstige Wirkung bei Gelb- und Wassersucht, Schlaflosigkeit, Trunkenheit, Fieber. Das Öl soll, in die Ohren geträufelt, das verlorene Gehör wiederbringen, das Kraut mit Honig aufgelegt die gequetschten Glieder heilen. Er wiederholt die Behauptung von Theophrast, daß dem Vieh, das mit Wermut gefüttert wird, die Galle verschwinden soll.
Wie Matthiolus6 schreibt, läßt Absinthium “das Blut nicht faulen” und treibt die Galle durch Stuhl und Harn aus. Beim Mundspülen mache es einen wohlriechenden Atem. Im übrigen wiederholt er die Angaben der anderen Kräuterbücher.
Weinmann7 berichtet, daß der Wermutwein mit Anis und Kümmel gemischt gern “von den Weibs-Personen, so die übrige Dicke hassen” genommen würde. Auch kennt er die äußerliche Anwendung in Form von Kräuterkissen gegen Magenbeschwerden.
Hecker8 schätzt den Wermut bei “Krankheiten, die aus Atonie der ersten Wege und Eingeweide des Unterleibes entspringen, Magenschwäche, Verschleimung, Würmern, Säure, Gicht, Steinbeschwerden, Hypochondrie, Verstopfung der Milz und Leber usw.”, ferner bei Kachexien wie Hydrops, Ikterus, Skorbut. Gegen Krämpfe läßt er das ätherische Öl anwenden. Äußerlichen Gebrauch macht er vom Absinthkraut zur Zerteilung lymphatischer Geschwülste, schmerzhafter Rheumatismen, erysipelatöser Entzündungen usw.
Hufeland9 wandte den Wermut sehr häufig an und veröffentlicht auch die Berichte Kortums10 und Hellers11 über seine erfolgreiche Medikation bei Febris intermittens.
Daß der Wermut auch als Volksmittel sehr beliebt war, bezeugt die häufige Anführung bei Osiander12.
Als aromatisch bitteres Stomachikum, das allerdings zuweilen Kopfschmerzen und Schwindel verursache, wird Absinthium von Clarus13 angeführt.
Die deutsche Volksmedizin unserer Zeit wendet den Wermut getreu den alten Überlieferungen bei atonischer Verdauungsschwäche, Magenkatarrh, Wechselfieber, als Emmenagogum, zur Austreibung der Plazenta und zur Förderung des Schlafes an14, die Schweizer Kräuterkunde bei Abmagerung, Trunksucht und Seekrankheit15, die amerikanische Medizin als tonisches Stomachikum bei Dyspepsie16.
In der russischen Volksmedizin wird der Wermut, wie W. Demitsch17 auf Grund zahlreicher Literaturstellen nachweist, als ganz vorzügliches, heilsames Hausmittel bezeichnet. Im Vordergrund steht die Wirkung bei Fieber und als Magenmittel sowie als Anthelmintikum. Man gab den Kindern die pulverisierten Blätter mit Honig, als spirituöse Auszüge und wäßrige Infuse. Die Tinkturen wurden auch äußerlich zu Einreibungen benutzt. Weiter galt der Wermut als nützlich bei Gelbsucht, Hautparasiten und gegen Motten. Der Absinthschnaps wurde den Priestern, Mönchen und Nonnen dringend empfohlen, damit sie von schlechten Bedürfnissen des menschlichen Leibes befreit würden. Man sieht, daß also das Mittel selbst als sexuelles Sedativum galt. Nach J. Schablowski (vgl. Demitsch) gibt man es Gebärenden als wehentreibendes Mittel in Form einer Abkochung von einer Handvoll Kraut auf 2 Glas Wein jede halbe Stunde. Abortus soll dadurch nicht entstehen.
Gegen Hautleiden aller Art empfiehlt Wizenmann18 das gepulverte frische Wermutkraut, mit einigen Tropfen Zitronensaft angefeuchtet, aufzulegen.
Auch in der Veterinärheilkunde gilt der Wermut als gutes Mittel, das bei Freßunlust infolge von Verdauungsstörungen oder nach Krankheiten, bei Gelbsucht, Leberwürmern, Harthäutigkeit, besonders infolge chronischer Leberkrankheit, und bei Überfütterungskoliken angewandt wird. Äußerlich wird er in Absudform gegen Krätze gebraucht19.
C. B. Inverni20 bezeichnet den Wermut in starken Dosen als emmenagog wirksam und besonders geeignet bei Amenorrhöe junger Mädchen. Inverni betont ebenso wie Leclerc21, daß der Wermut als Wurmmittel sowohl bei Askariden wie auch bei Oxyuren wirksam sei.
Nach Bohn22 umfaßt der Wirkungskreis des Wermuts die Nerven des Magens und Zwölffingerdarms, die er zu vermehrter Tätigkeit anregt. Pfortaderstauungen mit Neigung zu Nieren‑, Blasen- und Darmblutungen sind nach ihm Kontraindikationen für die Anwendung.
Wird Herba Absinthii in größeren Dosen verabreicht, so erzeugt es Vermehrung der Harn- und Schweißabsonderung, Magenschmerzen, Übelkeit und Erbrechen; nach Mißbrauch wurden Kongestionen, Kopfschmerzen, Schwindel, Ideenverwirrung und Betäubung beobachtet. Ein Mann bekam nach Genuß eines konzentrierten Infuses Schwindel, Schwäche, Zittern in den Beinen, Harndrang und Brennen in der Glans penis23. Eine tödliche Vergiftung durch eine konzentrierte Wermutabkochung beschreibt Michelson24. Hier bestanden die Symptome in starken Leibschmerzen, Erbrechen, Zittern, Krämpfen und Tod durch Versagen des Herzens. Ich nahm zur Nachprüfung, verteilt auf etwa 6 Wochen, 40 g in “Teep”, also 20 g des frischen Krautes, ohne ernstere Nebenwirkungen außer Benommenheit des Kopfes zu spüren (Verf.). Größere Gaben von Wermut sollen auch leicht zum Abort führen25. Bei Stillenden kann die schädliche Wirkung durch die Milch auch auf den Säugling übergreifen26.
Das frische Kraut enthält bis 0,5% ätherisches Öl27, dessen wichtigster Bestandteil das Absinthol = Thujon = Tanaceton = Salviol ist28; daneben Thujylalkohol, Terpene und Sesquiterpene. Außerdem finden sich im Wermut ein bitteres Glykosid Absinthiin (auch in den Blüten), bitteres Anabsinthin, Bernsteinsäure (nicht in den Blüten) und Gerbsäure.
Das ätherische Öl ruft bei chronischem Gebrauch (in Form des Absinthschnapses) eine Disposition zu Epilepsie u. a. Nervenkrankheiten hervor29. Auch in Versuchen wurde festgestellt, daß Absinth krampfauslösend wirkt30.
Das Absinthiin soll Schwindel und Betäubung verursachen können31, doch ist es, wie Roux32 im Tierversuch beobachten konnte, kaum giftig zu nennen. Größere Dosen erzeugen reichlichere Darmentleerungen ohne diarrhöischen Charakter33. Diese Beobachtung habe ich auch selbst öfters mit Absinthium “Teep” gemacht. Verordnet man gleichzeitig fettfreie Diät, so tritt beschleunigte Gewichtsabnahme ein (Verf.).
Auf eine merkwürdige Eigenschaft des Wermuts wies kürzlich Pater34 hin: ölige, schmutzige Hände und schmutzige, mit Öl durchtränkte Wäsche und Lumpen werden auffallend rein, wenn man sie im Wasser mit Wermut reibt. Nach Pater hat es den Anschein, als ob Wermut die Seife ersetzen könne – ohne daß man bisher in der Pflanze Saponine gefunden hätte.
In Bezug auf die blühende Pflanze wurde festgestellt, daß sie in vitro nicht bakterizid bzw. fungizid wirkt, hingegen wirkt sie im Tierversuch resistenzerhöhend35.
Nach Klumpen sollen größere Mengen von Wermuttee längere Zeit hindurch getrunken den inneren Irisrand dunkel färben.
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Dänemark: Innerlich gegen Würmer, Magen- und Unterleibsleiden, beginnende Wassersucht, Skorbut, Wechselfieber, Pilzvergiftung; äußerlich gegen Geschwüre, kalten Brand und Ungeziefer.
Italien: Als stärkendes Magenmittel.
Litauen: Gegen Verdauungsstörungen.
Polen: Gegen Appetitlosigkeit, Magenleiden und Malaria; mit Thuja, Tanacetum, Ruta als Abortivum.
Steiermark: Gegen Magenleiden und fieberhafte Erkrankungen, insbesondere der Kinder.
Tschechoslowakei: Nach Veleslavín (1) verwendet man Wermut bei Pilzvergiftung, Gelbsucht, Wassersucht, Schüttelfrost, Ohnmacht, Krätze. Er ist ferner blutreinigend, schützt vor Trunksucht. Wermutwein heilt verdorbenen Magen, die Blase, regelt die Menstruation und vertreibt die Würmer. Äußerlich verwendet man Wermut bei Kopfweh, Augenschmerzen, Podagra, Durchfall. Auch als Umschläge.
In der Volksmedizin wird Wermut hauptsächlich gegen Magenschmerzen (2, 4, 5) zur besseren Verdauung (1) und gegen Appetitlosigkeit (6), weiter gegen Magenkrämpfe angewandt. Hilft auch bei Sodbrennen, Blähungen. Mit der Faulbaumrinde zusammen vertreibt Wermut Wechselfieber. Der Blütenabguß wird als Gurgelmittel bei Lebererkrankungen, Gelbsucht, Wassersucht und als Schmarotzervertreiber verwendet (8). Umschläge mit Wermutdekoktum werden bei Verstauchungen, Quetschungen und offenen Wunden aufgelegt (8). Pulverisierter Wermut wird bei Lebererkrankungen in der Suppe (ein bis zweimal täglich 1 Messerspitze) eingenommen (8). Gegen Spulwürmer empfiehlt sich, Wermutsamen in Alkohol anzusetzen und das gesüßte Getränk vor dem Schlafengehen oder besser noch auf den nüchternen Magen einzunehmen (Walachei) (9). Auch die Madenwürmer werden in der mährischen Slowakei nach obigem Rezept vertrieben (10). Zu demselben Zweck verwendet man in der Slowakei Wermutblüten und in der Poděbrader Gegend dasselbe nur mit Beimengung von Zitronensaft (10). Mit Wermutaufguß, vermengt mit Honig, werden schmerzhafte Augen ausgewischt (8). Denselben verwendet man auch als Klistier bei Kolik (durch Bandwurm verursacht) (8). In Schlesien wird Wermut gegen Kolik innerlich genommen (5).
Literatur: (1) Veleslavin 1596, 232 D; (2) Koštál 1901, 52; (4) Mor. Slov. II. III. 752; (5) Vlnka, Slez. apat. čL. IX. 340; (6) Krčmář, Ros. Chmelík 1904; (7) Vykoukal, Dom. lék. n. 1. 76; (8) Dlouhý, Léč. rostl. 117; (9) Václavek, Lid. léč. čL. VII. 125; (10) Novotný, Lid. léč. hlístů čL. XIV. 22.
Ungarn: Gegen Kolik, Magenschmerzen, Nausea, Pilzvergiftung, Würmer und Malaria.