Lehrbuch der biologischen Heilmittel

Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Convallaria ist ein gutes Herzmittel, das in seiner Wirkung der Digitalis ähnelt. Es unterscheidet sich von der Digitalis durch die geringere Haftfähigkeit am Herzmuskel und gröÃere GefäÃwirkung. Der Organismus gewöhnt sich leichter an Convallaria und schon nach 5–6 Tagen muà man die Dosis erhöhen, um den gleichen Effekt zu haben. Bei Hydrops und schweren Stauungserscheinungen wird man der Digitalis stets den Vorzug geben. Hingegen lassen sich die nervösen Herzbeschwerden, wie sie z. B. während des Klimakteriums und der Schwangerschaft oder bei zu starker körperlicher Betätigung auftreten, besser mit Convallaria als mit Digitalis behandeln. Bei akuter und chronischer Endokarditis kann man es gelegentlich als Wechselmittel mit anderen geeigneten Kardiaka anwenden.
Nachzuprüfen wäre vielleicht auch noch die in RuÃland weitverbreitete Anwendung gegen Epilepsie.
Von homöopathischer Seite wird es gelobt bei Arhythmie, Extrasystolen und Herzneurosen mit Sternaldruck (hier Convallaria D 3 in Verbindung mit Strophanthus D 2, dreimal täglich 8 Tropfen). Häufig genannt wird Convallaria auch bei Herzstörungen der Jugendlichen und solcher Patientinnen, die gleichzeitig an Unterleibsbeschwerden (Dysmenorrhöe, habitueller Menorhagie, Hydrops uteri usw.) leiden. Auch bei Asthma, basedowoiden Erscheinungen, Folgen von Jod- und Nikotinvergiftung wird das Mittel genannt.
ÃuÃerlich wird es seit alters her in der Form des Niespulvers bei chronischem Schnupfen und als alkoholischer Auszug zu Einreibungen bei Rheuma und Podagra gebraucht.
Angewandter Pflanzenteil:
Bei Paracelsus findet sich bei drei Belegstellen einmal die bestimmte Angabe der Verwendung der Blüten.
Lonicerus nennt die Blüten kräftiger als das Kraut.
Matthiolus und v. Haller erwähnen nur die Blüten.
Potter nennt in erster Linie den Wurzelstock und die Wurzeln, auÃerdem noch die Blüten, Stengel und Blätter.
Geiger gibt den Gebrauch der Blüten, Zörnig den des getrockneten, blühenden Krautes, Hager den des getrockneten Krautes, auÃerdem den der Blüten und des Wurzelstockes an.
Marfori-Bachem erwähnt die frühere Benutzung der ganzen Pflanze als Ersatz für Digitalis.
Für den wirksamsten Ausgangsstoff der Präparate halte ich die ganze blühende Pflanze, aus der auch das “Teep” hergestellt wird. Homöopathische Urtinktur nach dem HAB.: Frische blühende Pflanze ohne Wurzel (§ 3). Herba Convallariae ist offizinell in Frankreich, Griechenland, Italien, Ãsterreich, Schweiz und Spanien.
Dosierung:
Ãbliche Dosis:
0,12–0,6 g des Fluidextraktes (Potter);
5–10-15 Tropfen der Tinktur (Rost-Klemperer).
1 Tablette der Frischpflanzenverreibung “Teep” dreimal täglich.
(Die “Teep”-Zubereitung ist auf 10% Pflanzensubstanz eingestellt,
d. h. 1 Tablette enthält 0,025 g Convall. maj.)
In der Homöopathie:
dil. D 3–4, dreimal täglich 10 Tropfen.
Maximaldosis:
1 g pro dosi, 3 g pro die der Tinktur (Ergänzb.).
Rezepte:
Bei leichten Herzstörungen (nach Rost-Klemperer):
Rp.:
Infund. aq. fervid. q. s.
Mucilag. Gummi arabici
30
M.d.s.: Zweistündlich 1 EÃlöffel.
Oder (nach Antwerp. Ap.-V.):
Rp.:
Extracti Convallariae
2,5
M.d.s.: EÃlöffelweise.
Rezepturpreis etwa 2.- RM.
Bei Herzschwäche (nach Lhoták):
Rp.:
Hb. Convallariae f. inf.
4,0–8,0 : 200
D.s.: EÃlöffelweise nehmen.
(Etwa nach dem fünften Tage
hat sich der Körper an diese
Dosis gewöhnt und sie muÃ
erhöht werden.)
Bei nervösen Herzerkrankungen (nach Rost-Klemperer):
Rp.:
Tinct. Valerian. aether.
10
D.s.: Dreimal täglich 15 Tropfen.
Grüner Schneeberger Schnupftabak gegen Schnupfen (nach Hager):
Rp.:
(= Majoranblüten)
(= Schwertlilienwurzel)
(= Germerwurzel)
Olei Bergamottae gtts. X
(= Bergamottöl)
M.f. pulv.
D.s.: Schnupfpulver.
Rezepturpreis ad scat. etwa 1.58 RM.
Schneeberger Schnupftabak ist auch in fertigen Packungen im Handel.
Fußnoten:
1 Paracelsus Sämtl. Werke, Bd. 1, S. 729, Bd. 2, S. 135, 434.
2 Lonicerus, Kreuterbuch, 1564, S. 263.
3 Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 286 B.
4 v. Haller, Medicin. Lexicon, 1755, S. 904.
5 Osiander, Volksarzneymittel, S. 45, 118.
6 W. Demitsch, in Histor. Studien des pharm. Inst. d. Univ. Dorpat, 1889, Bd. I, S. 196.
7 Troitzki, Wratsch, Medic. Ztschr., herausgegeben v. Prof. Manassein, 1880, Nr. 47, S. 773; zit. nach 6).
8 Kalmikow, Beilagen zu den Protokollen der Charkowschen medic. Ges. 1881, Lief. 1; zit. nach 6).
9 Simanowski Botkin, Klin. Wschr. 1881, Nr. 10, S. 161; zit. nach 6).
10 Bogojawlensky, Dissert. St. Petersburg 1881; zit. nach Kobert, Schmidts Jahrbücher der ges. Medicin, Bd. 197, S. 188.
11 G. Sée, Du diagnostic et du traitement des maladies du coeur, 1883.
12 Filhoud-Lavergne, Étude sur la convallaria maïalis, physiol. et thérap., Thèse de Paris, 1883.
13 Leclerc, Précis de Phytothérapie, S. 311.
14 Potter, Mat. med., S. 253.
15 Lewin, Nebenwirkungen der Arzneimittel, S. 571.
16 Desplats, Journ. des sciences med. de Lille, 1882, 20. Oktober.
17 Walser, Ann. méd. 1926, Nr. 20, S. 288; von der Zijp, Acta neerl. Phys. 1932, Nr. 2, S. 210.
18 Costopanagiotis, Naunyn-Schmiedebergs Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1932, Bd. 167, S. 660.
19 Gordonoff u. Daum, Dtsch. med. Wschr. 1928, Bd. 54, Nr. 12, S. 469.
20 Vartiainen, Acta Soc. Medic. fenn. Duodecim A 1929, Bd. 13, H. 1, Nr. 1, S. 1.
21 Ogawa, Folia pharmacol. jap. 1928, Bd. 7, S. 335.
22 Weicker, Naunyn-Schmiedebergs Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1932, Bd. 178, S. 743.
23 Noguera, Gazeta Medica catalana 1909, IX.
24 Karrer, Helvetica chim. Act. 1929, Nr. 3.
25 Auburtin, Lévy et Wester, Paris médical 1932, Nr. 19.
26 K. Müller, Zeitgenössisches medizinisches Herbarium der tschechoslowakischen Flora, Prag 1936.
27 Fromherz u. Welsch, Naunyn-Schmiedebergs Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1931, Bd. 161, S. 266.
28 Vgl. 23), S. 306.
29 Karrer, Helv. chim. Acta 1929, Nr. 12, S. 506.
30 Straub, Münchn. med. Wschr. 1936, Nr. 83, S. 386.
31 Büttner, Münchn. med. Wschr. 1936, S. 387.
32 Hauke, Dtsch. med. Wschr. 1937, S. 1047.
33 Schembra, Med. Klinik 1936, Nr. 22.
34 Tschesche, Ber. d. dtsch. chem. Ges. 1936, Nr. 69, S. 459.
35 Wehmer, Die Pflanzenstoffe, Bd. 1, S. 160.
36 Weese, Digitalis, S. 66, Leipzig 1936.
37 Nach eigenen Untersuchungen.
38 Schmidt, Lehrb. d. hom. Arzneimittell., S. 115; Stauffer, Hom. Taschenb., S. 219; Clarke, A Dict. of Mat. med., Bd. 1, S. 589.