Mineralwasser

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Mine­ral­was­ser (Aquae mine­ra­les, medi­ca­tae, sote­riae) sind die­je­ni­gen mit Arz­nei­stof­fen geschwän­ger­ten Was­ser, wel­che die Natur aus ihrem Scho­ße her­vor­bringt, und deren Heil­kräf­te man empi­risch ken­nen gelernt hat. Die­je­ni­gen, die sich durch ihre Arz­nei­kräf­te am meis­ten bewährt, und einen hohen Ruf in der kul­ti­vir­ten Welt erlangt haben, wer­den zwar, von ihren Quel­len aus, mög­lichst wohl­be­hal­ten in die ent­fern­tes­ten Gegen­den ver­schickt, aber es feh­let doch viel, daß man sie wie and­re Arz­nei­en über­all und zu allen Zei­ten des Jah­res bekom­men, geschwei­ge in vol­ler Güte und zu mäßi­gem Prei­se bekom­men könn­te. Es war also löb­lich, daß man ver­such­te, sie künst­lich zu bereiten.

Da die Schei­de­kunst in Zer­le­gung und Auf­schlie­ßung die­ser köst­li­chen Heil­mit­tel es jetzt so weit gebracht hat, so ist es kein Wun­der, daß sie sich auch tüch­tig fühl­te, die­sel­ben künst­lich nach­zu­ma­chen, und dieß hat sie auch mit Glück unter­nom­men, wie­wohl die Hand­grif­fe nicht deut­lich beschrie­ben wor­den sind.

Die am meis­ten gebräuch­li­chen, auch in ent­fern­ten Gegen­den ver­lang­ten Trink­mi­ne­ral­was­ser sind das Sel­ters­was­ser, das Seid­schüt­zer Bit­ter­was­ser, das Spaa­was­ser, das Pyr­mon­ter Was­ser, das Eger­sche, das Schwal­ba­cher, das Bili­ner Was­ser. Eini­ge and­re berühm­te sind noch nicht so genau unter­sucht, daß man sie nach­ma­chen könn­te, z.B. das Fach­in­ger und das Roitscher.

Zur Ver­fer­ti­gung die­ser arz­nei­li­chen Was­ser ist ein mög­lichst rei­nes, hel­les, und geruch- und geschmack­lo­ses Quell­was­ser erfor­der­lich. Die­ses schwän­gert man mit den Bestandt­hei­len, die die vor­züg­lichs­ten Schei­de­künst­ler in jedem die­ser Wäs­ser gefun­den haben.

Um Sel­ter­ser Was­ser zu ver­fer­ti­gen, wer­den 20 Ci-vil­pfun­de rei­nen Quell­was­sers mit 2182/​11 Kubik­zol-len Luft­säu­re gesät­tigt und in die­sem ange­säu­er­ten Was­ser 619/​11 Gran Kalk­er­de, 1073/​11 Gran Bit­ter­salzer­de, 873/​1 1 Mine­ral­lau­gen­salz und 3982/​11 Gran Koch­salz bis zur völ­li­gen Hel­lig­keit aufgelöset.

Zu dem Seid­schüt­zer Bit­ter­was­ser kom­men in 20 Civil­pfun­den 146/​11 Kubik­zoll Luft­säu­re, 164/​11 Gran Kalk­er­de, 455/​11 Gran Bit­ter­salzer­de, 891/​11 Gran Gyps, 31205/​11 Gran Bit­ter­salz und 791/​11 Gran Magnesiekochsalz.

Zu dem Spaa­was­ser kom­men in 20 Civil­pfun­den 1637/​11 Kubik­zoll Luft­säu­re, 3010/​11 Gran Kalk­er­de, 728/​11 Gran Bit­ter­salzer­de, 119/​11 Gran fei­ne Eisen­fei­le, 3010/​11 Gran Mine­ral­lau­gen­salz, und 37/​11 Gran Kochsalz.

Zu dem Pyr­mon­ter Was­ser kom­men in 20 Civil­pfun­den 600 Kubik­zoll Luft­säu­re, 693/​4 Gran Kalk­er­de, 674/​5 Gran Bit­ter­salzer­de, 211/​10 Gran fei­ne Eisen­fei­le, 574/​5 Gran Glau­ber­salz, 1733/​5 Gran Gyps, 1092/​5 Gran Bit­ter­salz, 242/​5 Gran Koch­salz und 264/​5 Gran Magnesiekochsalz.

Zu dem Eger­schen Sau­er­brun­nen kom­men in 20 Civil­pfun­den 3382/​11 Kubik­zoll Luft­säu­re, 273/​11 Gran Kalk­er­de, 146/​11 Gran fei­ne Eisen­fei­le, 17010/​11 Gran Mine­ral­lau­gen­salz, 1000 Gran Gyps, und 1655/​11 Gran Kochsalz.

Zu dem Schwal­ba­cher kom­men in 20 Civil­pfun­den 325 Kubik­zoll Luft­säu­re, 181/​3 Gran Kalk­er­de, 111/​9 Gran Bit­ter­salzer­de, 161/​9 fei­ne Eisen­fei­le, 31/​3 Gran Mine­ral­lau­gen­salz, 88/​9 Gran Gyps, und 27/​9 Gran Kochsalz.

Zu dem Bili­ner Was­ser kom­men in 20 Civil­pfun­den 980 Kubik­zoll Luft­säu­re, 6545/​57 Gran Kalk­er­de, 4947/​57 Gran Bit­ter­salzer­de, 61040/​57 Gran Mine­ral­lau­gen­salz, 9133/​57 Gran Glau­ber­salz, und 3414/​19 Gran Kochsalz.

Der Zusatz die­ser fes­ten Bestandt­hei­le macht wei­ter kei­ne Umstän­de, aber die Schwän­ge­rung des Was­sers mit der nöthi­gen Men­ge Luft­säu­re ist von Schwierigkeit.

Es kömmt drauf an, ob man nur klei­ne Quan­ti­tä­ten Mine­ral­was­ser zu ver­fer­ti­gen hat, oder ob man sie in Men­ge berei­ten will.

Will man nur klei­ne Quan­ti­tä­ten, so darf man nur über den Hals der Fla­sche, die die gewo­ge­ne Men­ge Quell­was­ser und andern Ingre­di­en­zen in genau­er Pro­por­ti­on ent­hält, eine wohl mit Wei­zen­kleie aus­ge­rie­be­ne Schweins­bla­se bin­den, wel­che gera­de die nöthi-ge Men­ge Luft­säu­re ent­hält, und die Fla­sche so lan­ge in den Hän­den sanft schüt­teln, bis die Bla­se ganz luft­leer gewor­den und zusam­men­ge­fal­len ist. Dann bin­det man die Bla­se ab, ver­stopft die Fla­sche wohl und über­zieht den Kork mit geschmol­ze­nem Pech oder Siegellack.

Daß aber die Bla­se die nöthi­ge Men­ge Luft­säu­re ent­hält, erfährt man dadurch, wenn man sie in ein glä­ser­nes wal­zen­för­mi­ges Gefäß etwa halb mit Was­ser ange­füllt völ­lig ein­taucht. Die Men­ge Was­ser, die sie da ver­drängt und höher stei­gen macht, wird ange­ben, wie­viel Kubik­zoll Luft sie ent­hält. Aeu­ßer­lich an die­sem Gla­se ange­zeich­ne­te Stri­che (Gra­de) deu­ten an, wie hoch das Was­ser von jeden zehn oder zwan­zig Kubik­zol­len steigt; 261/​2 rhei­ni­sche Kubik­zoll Raum neh­men 16 Unzen Was­ser (köll­ni­sches Gewicht) ein.

Man bedient sich, um die Bla­se mit Luft­säu­re anzu­fül­len, einer Fla­sche (Fig. I.) mit dop­pel­tem Hal­se. Die ange­feuch­te­te und ganz aus­ge­drück­te Schweins­bla­se (c) wird fest an den schie­fen (b) Hals ange­bun­den, indeß man in die mit klei­nen Stü­cken Mar­mor oder salz­säu­re­frei­em Kalk­stein ange­füll­te Fla­sche durch die senk­rech­te Mün­dung (a) eine ver­dünn­te Vitri­ol­säu­re (einen Theil Vitriol­öl mit 16 Thei­len Was­ser gemischt) theil­wei­se ein­gießt und jedes­mal den Pfropf (i) fest dar­auf drückt. Ist die Bla­se voll Luft, so wird sie dicht über dem schie­fen Hal­se abge­bun­den, das ers­te­re Band (e) aber gelöset.

Bei so klei­nen Arbei­ten kann man nicht das ge-nau­es­te Pro­dukt verlangen.

Ganz anders ists, wenn man im Gro­ßen arbei­tet. Man rich­tet (Fig. II.) eine Ton­ne (D) von tan­ne­nem Hol­ze vor, und wäs­sert sie vor dem Gebrau­che öfters mit kochen­dem Was­ser aus. Man stellt sie auf einen nied­ri­gen (E) Tisch der­ge­stalt, daß die im untern Boden befes­tig­te, senk­rech­te, höl­zer­ne (i) Röh­re auf der einen, der höl­zer­ne wage­rech­te (d) Hahn aber auf der andern Sei­te her­vor­ragt. Auf dem nied­ri­gen (F) Schem­mel wird zuerst die Mischung von gröb­li­chen Stü­cken Mar­mor oder Kalk­stein und wie oben gesagt ver­dünn­ter Vitri­ol­säu­re in der Fla­sche (A) vor­ge­nom­men, und nach jedem Zugie­ßen der Säu­re der Pfropf fest auf­ge­drückt. Die ent­wi­ckel­te Luft­säu­re dringt durch die im schie­fen Hal­se befes­tig­te krum­me (l) Röh­re bis auf den Boden der klei­nern Fla­sche (B), wel­che zum drit­ten Thei­le mit rei­nem Was­ser ange­füllt ist, durch wel­ches die Luft­säu­re empor­steigt und hier ihren etwa­ni­gen Ant­heil Salz- oder Vitri­ol­säu­re absetzt, und ganz rein durch die wie ein Sgebo­ge­ne Röh­re dringt und sofort durch die in den mit Was­ser ange­füll­ten (g) Kas­ten ein­ge­tauch­te höl­zer­ne Röh­re (i) des Fas­ses auf­steigt, und das rei­ne Was­ser, womit letz­te­res ange­füllt ist, zu dem Zap­fen (d) auf der andern Sei­te her­aus­drängt, nach­dem die auf­stei­gen­de Füll­röh­re (f) abge­nom­men wor­den ist.

Soll nun das Was­ser z.B. mit einem glei­chen Umfan­ge Luft­säu­re geschwän­gert wer­den, so wird die Ton­ne völ­lig mit Luft­säu­re ange­füllt, der­ge­stalt daß die vor­her völ­lig mit rei­nem Quell­was­ser ange­füll­te Ton­ne ihr gan­zes Was­ser durch den Zap­fen (d) gehen läßt. Läuft nichts mehr her­aus, so nimmt man die gan­ze Vor­rich­tung (A, B, l, k, g) auf dem nied­ri­gen (F) Schem­mel hin­weg, ver­stopft die Röh­re (i), befes­tigt die auf­stei­gen­de (f) glä­ser­ne oder zin­ner­ne Füll­röh­re in dem (d) Hah­ne und füllt durch sie von oben hin­ein all­mäh­lich alles das Was­ser, was man aus der Ton­ne hat lau­fen las­sen, indeß man mit­telst der Kur­bel (h) die höl­zer­ne (a) Spin­del und mit­telst die­ser die vier höl­zer­nen Flü­gel (e, e, e, e) lang­sam in Bewe­gung setzt. Die­se Bewe­gung wird nicht wie ein ande­res Dre­hen voll­führt, son­dern nur in hal­ben Zir­kel­wen­dun­gen, etwa ein hal­bes Mal her­um jedes­mal bald links, bald rechts. Denn nur etwa so viel Bewe­gung ver­stat­tet die theils oben an der Spin­del, theils an der höl­zer­nen am obern Boden befes­tig­ten (c) Röh­re zur Zurück­hal­tung der Luft­säu­re fest gebun­de­ne gegerb­te Bla­se (b), an deren Stel­le man auch einen von wei­chem Leder ver­fer­tig­ten luft­dich­ten Schlauch neh­men kann.

Die­se Bewe­gung setzt das Was­ser in Stand, die Luft­säu­re schnell in sich zu neh­men, und zugleich die (vor­her in die Ton­ne geschüt­te­ten) Ingre­di­en­zen aufzulösen.

Ist dieß gesche­hen, so dre­het man den Hahn (d) zu, nimmt die auf­stei­gen­de Füll­röh­re (F) hin­weg, bin­det die Bla­se (b) etwas ab, damit die äuße­re Luft von oben her­ein drin­gen kann, und zapft, ver­mit­telst des Hahns (d) das fer­ti­ge Mine­ral­was­ser auf Flaschen.

Soll das Was­ser weni­ger als einen glei­chen Umfang an Luft­säu­re ent­hal­ten, will man zum Bei­spie­le Schwal­ba­cher Was­ser machen und ist der Inhalt der Ton­ne 200 Pfund, so läßt man so viel ent­bun­de­ne Luft­säu­re in die mit Was­ser ange­füll­te Ton­ne gehen, daß unten aus dem Hah­ne (d) 1222/​3 Pfund Was­ser aus­ge­trie­ben wer­den, so wird die Luft­säu­re dar­in den hier ver­lang­ten Umfang von 3250 Kubik­zoll haben, (weil 261/​2 • 1222/​3 = 325 • 10 = 3250 ist). Ist dieß gesche­hen, so wird die Kur­bel lang­sam in Bewe­gung gesetzt und das vor­her her­aus­ge­dräng­te Was­ser (1222/​3 Pfund) so wie die Ein­sau­gung der Luft­säu­re vor sich geht, all­mäh­lich durch die her­ab­stei­gen­de Röh­re (f) wie­der ein­ge­füllt. Ist das Was­ser wie­der völ­lig in die Ton­ne getre­ten, so ist auch die Ein­sau­gung aller Luft­säu­re gesche­hen, und wenn zugleich auch die fes­ten Bestandt­hei­le mit auf­ge­lö­set wor­den (wel­ches wäh­rend die­ser Bewe­gung leicht geschieht), ist auch das Mine­ral­was­ser fer­tig und braucht blos auf Fla­schen gezapft zu werden.

Mir deucht, die­se Vor­rich­tung hat Vor­zü­ge vor den bis­her üblichen.

Bei einer andern Metho­de, wo man (Erden), Lau­gen­sal­ze und Säu­ren, jedes beson­ders in die Mine­ral­was­ser bringt, damit sie dar­in sich zusam­men­set­zen und Luft­säu­re ent­bin­den, erhält man gewöhn­lich einen frem­den Geruch und Geschmack.

Ich rathe auch nicht, irgend ein bekann­tes Ingre­di­enz der jedes­ma­li­gen Mine­ral­was­ser aus den­sel­ben weg­zu­las­sen. Bei Beurt­hei­lung der Kräf­te so zusam­men­ge­setz­ter Heil­mit­tel als die Mine­ral­was­ser sind, kann man nicht anders als empi­risch ver­fah­ren; blos die Erfah­rung, nicht das hier unzu­läng­li­che Ver­nünf­teln, ent­schei­det über ihren Nut­zen. Daß uns z.B. die beson­dern Heil­kräf­te des Gyp­ses in ihnen nicht bekannt sind, dar­aus folgt nicht, daß er kei­ne, oder nur schäd­li­che Kräf­te habe -

Ueber­haupt muß jeder, der Zutrau­en bei Ver­fer­ti­gung der Mine­ral­was­ser erlan­gen will, (bei deren Wahl der Eigen­sinn und die Bedenk­lich­keit des Publi­kums sehr weit geht) äußerst genau der Natur nach­ar­bei­ten, und ent­we­der ein voll­komm­nes Pro­dukt die­ser Art, oder gar keins liefern.

Das Vor­urt­heil, daß sol­che Mine­ral­wäs­ser, wenn sie auch voll­kom­men den natür­li­chen ent­spre­chen, doch nicht ächt wären, wie sich zuwei­len unun­ter­rich-tete Aerz­te und Halb­ge­lehr­te ein­bil­den, fällt hin­weg, wenn ein Apo­the­ker von Ansehn und von bekann­ter Recht­schaf­fen­heit, Ein­sicht und Genau­ig­keit sie zu ver­fer­ti­gen unternimmt.

Die Luft­säu­re ver­ei­nigt sich zwar auf oben ange­geb­ne Wei­se mit dem Was­ser bald, aber die Auf­lö­sung wird erst nach Ver­fluß meh­re­rer Tage innig. Es ist daher not­hwen­dig, daß man die damit gefüll­ten Fla­schen erst wenigs­tens vier­zehn Tage im Kel­ler ste­hen läßt, ehe man sie ver­kauft. Geschmack und Geruch und Ansehn wird in die­ser Zeit voll­kom­men, wenn bei der anfäng­li­chen Berei­tung gehö­rig ver­fah­ren wor­den ist.

Man muß das reins­te Quell­was­ser dazu neh­men, wel­ches nicht nur ganz ohne allen Geschmack, Geruch und Far­be, son­dern auch mög­lichst frei von allen mine­ra­li­schen Bestandt­hei­len ist.

In küh­len Werks­tä­ten geht die Ver­fer­ti­gung am bes­ten von stat­ten. Die Wär­me hin­dert die Ver­ei­ni­gung der Luft­säu­re mit dem Was­ser; bei Frost­käl­te aber ent­weicht sie wie­der völ­lig aus dem­sel­ben. Die Fla­schen müs­sen in einem rein­li­chen, kal­ten, aber frost­frei­en Kel­ler auf­be­wahrt werden.

© Vor­rich­tung zur Ver­fer­ti­gung der künst­li­chen Mineralwasser.