Befunde der experimentellen Pharmakologie
Ginseng radix (Ginsengwurzel)
Synonyme: Radix ginseng
Sonstige Bezeichnungen: dt.: Chinesische (Amerikanische) Ginsengwurzel, Kraftwurzel, Lebensverlängerungswurzel, Panaxwurzel, Samwurzel, Schinsengwurzel, Weißer Ginseng; engl.: Chinese physic, five fingers root, rive leaved panax root, ginseng root, tartar root; frz.: Ginseng, mandragore coréenne, racine de ginseng chinois; chinesisch: Renshen; japanisch: Ninsin; koreanisch: San-Sam; pol.: Zen-Szen; russ.: Zen-Szen; tsch.: Vsehoj pravy.
Monographiensammlungen: Ginseng radix – DAB 10 ; Radix ginseng – ÖAB 90; Ginseng radix – Helv VII; Ginseng radix – ChinP IX; Ginseng – Jap XI; Panax – BHP 83
Definition der Droge: Die getrockneten Wurzeln.
Stammpflanzen: Panax ginseng C. A. MEY. Anm.: Das russische Arzneibuch (Ross 9) beinhaltet die Monographie “Radix ginseng”, allgemein bekannt als Sibirischer oder Russischer Ginseng. Bei der Stammpflanze dieser Droge handelt es sich jedoch um keine Species der Gattung Panax, sondern um Eleutherococcus senticosus, eine ebenfalls zur Familie der Araliaceae gehörende Pflanze [4], s.→ Gattung Eleutherococcus.
Herkunft: Seltener Sammlung aus Wildbeständen in China. Vorwiegend stammt die Droge aus Kulturen in Nordchina, der Mandschurei, Südkorea und Japan. Die Hauptmärkte für die Ginsengwurzel befinden sich in Shanghai und Hongkong. Die Kultur erfordert einen großen Aufwand an Pflege und Zeit. Ein Jahr nach der Saat auf trockenem Lehm- oder Tonboden werden die kräftigsten Pflanzen in die Plantage umgepflanzt. Die Pflanzen müssen in Böden kultiviert werden, in denen mindestens 10 bis 15 Jahre keine Ginsengpflanzen aufgezogen wurden, um Wurzelfäulnis zu verhindern [5]. Darüber hinaus müssen sie laufend vor Sonne und Schädlingen geschützt sowie gut und differenziert gedüngt werden [116]. Die Wurzeln werden erst im 4. bis 7. Jahr geerntet [117].
Gewinnung: Die Wurzeln von 4 bis 7 Jahre alten Pflanzen werden im Herbst ausgegraben und gereinigt. Vor der Trocknung in der Sonne werden die dünnen Enden von Haupt- und Nebenwurzeln abgeschnitten. Die abgeschnittenen Teile werden als “slender tails” bezeichnet und bilden ein eigenes Handelsprodukt [6]. Abhängig von der Art der Drogenverarbeitung unterscheidet man zwei Handelssorten, den Weißen und den Roten Ginseng. Der Rote Ginseng hat im europäischen Raum keine wesentliche Bedeutung, ist aber in China und Japan offizinell [117, 118].
Weißer Ginseng (Shenghaishen): Die frisch geernteten Wurzeln werden gewaschen und feine Seitenwurzeln entfernt. Anschließend werden die Wurzeln geschält, einem Bleichprozeß mit SO2 unterzogen und dann an der Sonne oder auch künstlich bei 100 bis 200 °C getrocknet [6]. Die “Ginsengschale” besteht aus der Peridermschicht und bildet ebenfalls ein eigenes Handelsprodukt (Jin-pi oder San-pi in Japan) [7]. Durch Abbinden und Biegen werden die Wurzeln oft in eine menschenähnliche Gestalt gebracht [6].
Roter Ginseng (Hongshen): Die geernteten Wurzeln werden noch frisch mit Wasserdampf von 120 bis 130 °C 2 bis 3 h lang behandelt und danach getrocknet. Lit. [118] beschreibt eine kurze Verweildauer der Wurzel in kochendem Wasser. Nach dem Trocknen sind die Wurzeln hornartig, durchsichtig und rötlich [ 117]. Die Farbentwicklung ist auf die bei der Wasserdampfbehandlung ablaufende Maillard-Reaktion (Reaktion zwischen reduzierenden Zuckern und Aminosäuren) zurückzuführen [ 6].
Handelssorten: Neben den zwei Haupthandelssorten, dem Weißen und dem Roten Ginseng (s. → Gewinnung), werden 4 weitere Ginsengsorten, die nach ihren Herkunftsländern unterschieden werden, gehandelt: Chinesischer wilder und kultivierter Ginseng sowie koreanischer und japanischer Ginseng. Die am meisten geschätzte, oft sehr hoch bezahlte Wurzel des in China wildwachsenden Panax ginseng ist sehr schwer zu bekommen. Die Sorten aus Korea und der Mandschurei werden ebenfalls sehr hoch bewertet. Weniger im Wert stehen die japanischen Sorten [116].
Schnittdroge: Geschmack. Schwach würzig, anfangs leicht bitter, dann süßlich, etwas schleimig. Geruch. Schwach, eigenartig.
Makroskopisches Bild. Das Aussehen der Handelsware variiert oft stark [8]. Spindelförmige Wurzeln, zumeist 3,5 bis 20 cm lang, oben 0,5 bis 2,5 cm dick, nach unten verschmälert und häufig gegen die Spitze hin gekrümmt; im oberen Teil querrunzelig und von der Mitte an oft zwei- oder mehrfach verzweigt; oben mit kopfartig abgesetztem, ringförmig genarbtem Sproßrest. Bis 3 mm starke Rinde, hellbräunlich-gelb bis gelblich-weiß mit kleinen verstreuten orangeroten Harzbehältern; Oberfläche der Wurzel von längs verlaufenden Runzeln bedeckt und im oberen Teil mehr oder weniger deutlich geringelt. Hart und spröde, nicht faserig brechende Wurzel, mehliger, weißlichgelber Querschnitt mit bräunlichgelbem Kambiumring [119 , 120].
Morphologisch-anatomische Merkmale der Droge geben keinen Aufschluß über die Herkunft. Zu beobachtende Unterschiede sind oft nicht artbedingt, sondern wahrscheinlich auf das unterschiedliche Alter der untersuchten Drogen zurückzuführen [8]. Während die Form des Roten Ginseng gegenüber der des ungebrühten Ginseng kaum verändert ist, ist die Längs- und Querringelung teilweise nicht mehr so stark wie bei der ungebrühten Ware vorhanden [116]. Mikroskopisches Bild. Wurzelquerschnitt: Mehrschichtiges, dünnwandiges Korkgewebe. Phelloderm aus wenigen Lagen schmaler, tangential gestreckter, dickwandiger Zellen. Lockeres Rindengewebe mit großen lufterfüllten Interzellularräumen und zahlreichen, vom umgebenden Gewebe sich abhebenden, zerstreut angeordneten Exkretgängen mit gelbbräunlichem Inhalt, deren Durchmesser von außen nach innen abnimmt, verlaufen in der Nähe des Kambiums fast ringförmig; dünnwandige Parenchymzellen der Rinde in der Nähe des Kambiums rundlich-polygonal, nach außen zunehmend schmaler und tangential gestreckt; im Kambium unterscheiden sich breite Markstrahlen deutlich vom Gefäßteil; im Zentrum primäres Holz. Im ganzen Wurzelquerschnitt keine Sklerenchymfasern und Steinzellen; Gefäße sind die einzigen verholzten Elemente. Schmale radiale Strahlen aus zerdrückten Siebröhrengruppen in der inneren Rinde; im Xylem strahlige Anordnung der 15 bis 45 μm weiten Gefäße, dazwischenliegende keilförmige, unterschiedlich weite Markstrahlen aus dünnwandigen, polygonalen, gleichförmigen Zellen. Rinde und Holz enthalten zahlreiche Calciumoxalatdrusen, gelegentlich auch kleine Einzelkristalle; in der äußeren Rinde besonders viele große Drusen. Gesamtes Parenchym dicht gefüllt mit Stärke, 4 bis 10 μm große, rundliche, seltener eckige Einzelkörner, vereinzelt zusammengesetzt [ 119, 120].
Bei Drogen japanischer Herkunft sind verholzte Sklereiden nachweisbar. Der Rote (gebrühte) Ginseng zeigt denselben histologischen Aufbau mit Ausnahme der verquollenen Stärke [116].
Pulverdroge: Makroskopisches Bild. Mikroskop. Bild Gelbliches Pulver aus überwiegend dünnwandigem, farblosem Parenchym, zahlreichen einfachen und zusammengesetzten Stärkekörnern, 40 bis 50 μm großen Calciumoxalatdrusen; Fragmente der Sekretgänge mit gelbbraunen Sekretklumpen, Bruchstücke der 15 bis 45 μm weiten Netz‑, Treppen- und Spiralgefäße, dünnwandige Korkfetzen, wenig dickwandiges, farbloses Phelloderm, keine Sklerenchymfasern [ 119, 120].
Verfälschungen/Verwechslungen: Absichtliche Verfälschungen des “echten koreanischen Ginsengs” kommen mit Wurzeln verwandter Panax-Species [6], aber auch mit Arten anderer Gattungen vor: Panax japonicus C. A. MEY., P. notoginseng (BURK.) F. H. CHEN., Panax quinquefolius L., P. sessiliflorum PLANCH. [ 6], Adenophora verticillata FISCH., Angelica polyclada FRANCH., Campanula glauca THUNB., Campanumoea pilosula FRANCH., Gynura pinnatifida DC., Phyteuma japonicum MIQ., Platycodon grandiflorum BENTH. et HOOK., Rehmannia chinensis FISCH. et MEY. und Sophora angustifolia SIEB. et ZUCC [9].
Die Ersatzmittel der chinesischen Mediziner unterscheiden sich auffällig von der Ginsengwurzel und kommen daher als Verfälschungen nicht in Betracht. Als Ersatzmittel sind vorgeschlagen: Apocynum juventas LOUR., Aralia edulis SIEB. et ZUCC., Barkhausia repens SPRENG., Batatas edulis CHOISY, Caragana flava POIR., Dioscorea sativa L., Kaempheria scaposa BENTH. et HOOK., Ophiopogon japonicus KER- GAWL., Pardanthus chinensis KER- GAWL., Robinia amara LOUR., Saussurea arenaria MAX., Sium ninsi L [ 9]. In der ehemaligen Sowjetunion ist als Ersatzdroge Eleutherococcus (syn. Acanthopanax) senticosus im Handel [10].
Minderqualitäten: Qualitätsunterschiede ergeben sich sowohl aufgrund der verschiedenen Herkunftsländer der Droge (s. → Handelssorten), als auch durch unterschiedliches Alter, verschiedene Größen und Gewichte sowie die Nebenwurzelanzahl der Drogen [9]. Obwohl laut Arzneibüchern (s. → Definition der Droge) die gesamte Wurzel als Droge zugelassen ist, befinden sich vielfach lediglich die Hauptwurzeln mit einigen größeren Nebenwurzeln im Handel. Die feinen Enden der Nebenwurzeln sowie die Haarwurzeln werden entfernt (s. → Gewinnung). Auch das Schälen der Wurzeln vor der Trocknung (s. → Gewinnung, Weißer Ginseng) ist in keinem der genannten Arzneibücher erwähnt. Anzumerken ist, daß beide Verarbeitungsverfahren eher zu einem Qualitätsverlust der Droge führen, da ginsenosidhaltige Wurzelteile entfernt werden (s. → Inhaltsstoffe).
Inhaltsstoffe: Nachweise für die kultivierte Droge (Wurzel von Panax ginseng C. A. MEY.).
Triterpensaponine. Die Konzentration der Ginsenoside (= Panaxoside) hängt vom Anbaugebiet, vom Alter der Pflanze und den untersuchten Wurzelteilen ab. Bei vergleichbarem Pflanzenwuchs steigt der Gesamtginsenosidgehalt der Wurzeln aus japanischen Anbaugebieten zwischen dem 4. und 5. Jahr von 275 mg auf 373 mg, bei Wurzeln koreanischer Herkunft von 148 mg auf 770 mg an (HPLC-Bestimmung). Vom 5. bis zum 6. Jahr steigt der Ginsenosidgehalt weniger ausgeprägt an [11]. Über HPLC bestimmter Ginsenosidgehalt für im Handel befindliche Ginsengwurzeln (ca. 6 Jahre alt): Gesamtwurzel: 0,8 bis 6,1%, Hauptwurzel: 0,7 bis 1,8%, Nebenwurzeln: 1,5 bis 2,9%, Haar- (Faser-) Wurzeln: 6,8 bis 8,6% [12], teilweise bis 12% [10]. Der Ginsenosidgehalt differiert auch in den unterschiedlichen Wurzelgeweben. Über GC bestimmter Ginsenosidgehalt (Hauptwurzel, 6 Jahre alt, in Japan kultiviert): Periderm: 2,4%, Cortex: 7%, Xylem: 0% [7].
Aglyka überwiegend tetracyclischer Dammarantyp: 20 (S)-Protopanaxadiol: Ra (ca. 0,05%), Rb1 (0,15 bis 1,2%), Rb2 (0,06 bis 0,8%), Rc (0,1 bis 1,2%) und Rd (0,04 bis 0,7%); 20 (S)-Protopanaxatriol: Re (0,15 bis 1,5%), Rf (ca. 0,05%), Rg1 (0,22 bis 0,66%), Rg2 (0,02%) und Rh1 (ca. 0,004%); [12, 13] teils pentacyclischer Oleanolsäuretyp: Ginsenosid Ro (0,05 bis 0,2%) [116]. Die Verteilung der Einzelginsenoside in der Wurzel ist uneinheitlich: [12] Hauptwurzel: Dominantes Ginsenosid Rg1; Haarwurzeln: Dominantes Ginsenosid Rb1. Weitere Ginsenoside liegen im Gegensatz zu den genannten Hauptginsenosiden nur in Spuren vor [ 13]. Zwischen wild gewachsenem und kultiviertem Ginseng wurden keine Unterschiede in bezug auf Gehalt und Spektrum der Ginsenoside festgestellt [14].
Ätherisches Öl. 0,05%; Sesquiterpene: β ‑Elemen, Eremophilen; Polyacetylene: Heptadeca-1-en- 4,6‑diin‑3,9‑diol, Panaxydol, Panaxynol (= Falcarinol), Panaxytriol (= Falcarintriol)–> [13, 15, 16, 17].
Phenolische Substanzen. Salicylate, Vanillinsäure [ 16].
Peptidoglykane. Syn. Panaxane, s. Lit. [ 18-21]
Die Inhaltsstoffe des Weißen und Roten Ginseng unterscheiden sich nicht wesentlich. Geringe Differenzen sind im Ginsenosidverteilungsmuster zu beobachten [6, 13, 22].
Identität: Das DAB 10 beschreibt 2 Identitätsprüfungen:
1. DC-Untersuchung zum Nachweis der Ginsenoside Rg1, Re, Rc und Rb1 DAB 10:
- Untersuchungslsg.: 1 g pulv. Droge wird 15 min lang mit 70% MeOH (V/ V) unter Rückflußkühlung gekocht und nach dem Abkühlen abfiltriert;
- Referenzlsg.: Je 5 mg Aescin, Amygdalin bzw. Arbutin in 1 mL MeOH gelöst;
- Sorptionsmittel: Kieselgel G;
- FM: Ethylacetat‑H2O‑Butanol (2,5+5+10);
- Detektion: Besprühen mit Anisaldehyd-Reagenz, Erhitzen für 10 min auf 105 bis 110 °C; Auswertung im Vis;
- Auswertung: Zwischen der braunen Zone des Arbutins und der braunen Zone des Amygdalins liegen die Zonen der grauviolett angefärbten Ginsenoside Rg1 und Re. Das ebenfalls grauviolett angefärbte Rb1 befindet sich etwa auf gleicher Höhe wie die graue Aescinzone der Referenzlösung. Zwischen den Zonen der Ginsenoside Rb1 und Re liegen weitere, schwächer hervortretende Zonen, die unterste entspricht dem Ginsenosid Rc. Im unteren Drittel des Chromatogramms sind weitere Zonen erkennbar.
2. Eine Farbreaktionsprüfung mit 96%iger Schwefelsäure DAB 10:
5 mg pulv. Droge werden in einem Uhrenglas mit 0,1 mL Schwefelsäure gemischt. Nach 1 bis 2 min erscheint eine rotbraune Färbung, die sich in 15 bis 20 min nach Rotviolett ändert. Die Untersuchung soll den Ausschluß anderer Panax-Arten ermöglichen. Wurzeln von Panax quinquefolius geben diese Farbreaktion nicht [ 23].
Das ÖAB 90 berschreibt 3 Identitätsprüfungen:
1. Der Stärkeanteil der Wurzel wird durch die Blaufärbung des Wurzelquerschnitts nach Auftropfen von Iodlösung dargestellt.
2. Die Ginsenoside werden durch die Rotfärbung des Wurzelquerschnitts nach Auftropfen von konz. Schwefelsäure dargestellt.
3. DC des methanolischen Drogenextrakts zum Nachweis von Ginsenosiden:
- Untersuchungslsg.: 5 g pulv. Droge werden 35 min unter Rückflußkühlung mit 100 mL MeOH erhitzt. Nach dem Erkalten wird filtriert und der Rückstand mit 10 mL MeOH nachgewaschen; anschl. wird nach dem Abdampfen des LM der Rückstand in 50 mL Wasser aufgenommen; es folgen weitere Reinigungsschritte unter Einsatz organischer LM; der so erhaltene Rückstand wird in MeOH aufgenommen und stellt nach der Filtration die Untersuchungslsg. dar;
- Sorptionsmittel: Kieselgel 60 F254;
- FM: Butanol‑H2O‑Essigsäure konz. (5+4+1);
- Detektion: Besprühen mit verd. Schwefelsäure, Erhitzen für 10 min auf 100 °C; Auswertung im Vis und/oder im UV 366 nm;
- Auswertung: Im Chromatogramm sind im Vis etwa 9 intensiv violett bis grauviolett gefärbte Zonen erkennbar, die im Bereich der Rf-Werte von 0,15 bis 0,75 liegen. Im UV fluoreszieren die Zonen intensiv gelb bis orange.
Helv VII beschreibt 2 Identitätsprüfungen:
1. Farbreaktion der pulv. in Methanol gelösten und anschl. bis zur Trockne eingedampften Droge nach Zusatz von Antimon (III)chloridlsg.; nach Eindampfen des Gemisches färbt sich der Rückstand purpurrot.
2. DC zum Nachweis von Ginsenosiden: Analog DAB 10.
Im ChinP IX werden neben der morphologisch-mikroskopischen Betrachtung der Pulverdroge 4 chemische Identitätsprüfungen beschrieben:
1. Farbreaktion der zunächst in Ethanol gelösten, anschl. eingedampften gepulverten Droge nach Zusatz einer gesättigten Antimon (III)chloridlsg. in Chloroform. Nach Eindampfen zur Trockne erscheint der Rückstand violett gefärbt.
2. Farbreaktion nach Betropfen des Wurzelquerschnitts mit Iodlösung, Dunkelblaufärbung.
3. Farbreaktion der mit Essigsäureanhydrid versetzten, im Wasserbad erwärmten und anschl. filtrierten, pulv. Droge nach Unterschichtung mit Schwefelsäure. An der Grenzfläche der beiden Flüssigkeiten entwickelt sich eine rotbraune, später nach Dunkelbraun übergehende Färbung.
4. DC zum Nachweis von Ginsenosiden:
- Untersuchungslsg.: 0,2 g der pulv. Droge werden mit 1 bis 3 Tropfen H2O versetzt. Nach Zugabe von 2 mL wassergesättigtem Butanol wird die Probe homogen durchmischt und 48 h bei Raumtemp. stehengelassen. Nach Abzentrifugation wird der Überstand mit der dreifachen Menge butanolgesättigtem H 2O versetzt, geschüttelt und zur Phasentrennung stehengelassen. Die obere Phase stellt die Untersuchungslsg. dar;
- Referenzlsg.: Je 2,5 mg Ginsenosid Rg1, Rc und Ro in 1 mL Ethanol gelöst; Sorptionsmittel: Kieselgel G;
- FM: Butanol-Ethylacetat‑H2O (4+1+5);
- Detektion: Besprühen mit 10%iger Schwefelsäurelsg., Erhitzen auf 105 °C für 15 min; Auswertung im Vis;
– Auswertung: Auf den Spuren von Untersuchungs- und Vergleichslsg. müssen auf gleicher Höhe je ein Fleck derselben Färbung erkennbar sein.
Art und Mengenverhältnisse der Saponine erlauben Rückschlüsse auf eine Verarbeitung minderwertiger oder verfälschter Ginsengdrogen. Neben den beschriebenen Methoden der verschiedenen Arzneibücher kann mit Hilfe von HPLC-Untersuchungen [13] zum Ginsenosid-Verteilungsmuster eine Unterscheidung zwischen Rotem und Weißem Ginseng sowie eine Kennzeichnung eventuell verwendeter anderer Panax-Arten vorgenommen werden. Den Wurzeln von P. notoginseng und Panax quinquefolius fehlen die Ginsenoside Ra und Rb2 , der Gehalt an Rb1 ist dagegen sehr hoch. Bei P. notoginseng überwiegt im Ginsenosidgemisch das Ginsenosid Rg1, das Oleanolsäuresaponin Ro fehlt völlig. P. japonicus enthält ca. 20% Saponine. Bei diesen handelt es sich aber nur zum Teil um Saponine vom Dammarantyp, der Hauptteil entfällt auf Oleanolsäureglykoside, z. B. auf das Ginsenosid Ro (5,4%) [ 6].
Reinheit: Droge.
- Fremde Bestandteile: Der Anteil an Stengeln und sonstigen fremden Beimengungen darf einen Wert von 2,0% nicht überschreiten DAB 10, ChinP IX, Jap XI.
- Trocknungsverlust: Höchstens 12% DAB 10.
- Asche: Höchstens 8,0% DAB 10; höchstens 4% ÖAB 90; höchstens 5% BHP 83; für den Weißen Ginseng höchstens 4,2%, für den Roten Ginseng 4,5% ChinP IX; höchstens 4,2% Jap XI.
- Sulfatasche: Höchstens 12% Helv VII.
- Salzsäureunlösliche Asche: Höchstens 1,0% DAB 10 ; höchstens 2,0% BHP 83.
- In verdünntem Alkohol lösliche Bestandteile (Extraktgehalt): Mindestens 14% ÖAB 90, Jap XI; für den Weißen Ginseng mindestens 14%, für den Roten Ginseng mindestens 18% ChinP IX.
- Pestizidrückstände: Es gibt bis heute in den Arzneibüchern für Drogen weder eine Pestizid-Höchstmengenregelung, noch Richtwerte für toxische Schwermetalle oder Angaben über Maximalwerte für Keimzahlen [24]. Als Grundlage für die Beurteilung ermittelter Pestizidmengen in Drogen und Drogenzubereitungen kann die Verordnung über Höchstmengen an Pflanzenschutz- und sonstigen Mitteln sowie anderen Schädlingsbekämpfungsmitteln in oder auf Lebensmitteln und Tabakerzeugnissen vom 24. Juni 1982, inkl. Ergänzungen (Pflanzenschutzmittel-Höchstmengenverordnung – PHmV) herangezogen werden [25]. Die Verordnung enthält Höchstmengenangaben für eine Reihe gebräuchlicher Pestizide in Tees und teeähnlichen Erzeugnissen bzw. in Gewürzen. Es handelt sich hierbei also um Werte, die sich auf vergleichbare Arzneimittel durchaus übertragen lassen. Das Risiko bei der Verwendung von Arzneipflanzenzubereitungen gegenüber dem von Lebensmitteln ist allerdings im allgemeinen reduziert (z. B. durch Pestizidabreicherung bei Extraktionsschritten).
Anfang der 70er Jahre wurden in Drogen aus asiatischen Ländern (Japan, China und Korea) zum Teil beträchtliche Konzentrationen an Organochlor-Verbindungen gefunden. Untersuchungen von Ginsengwurzeln (Weißer Ginseng) aus Korea ergaben damals z. B. 0,2 bis 1,2 mg/kg α-HCH, 0,1 bis 1,6 mg/kg β-HCH und 0,1 bis 1,4 mg/kg γ-HCH [26]. Mitte der 70er Jahre trat in Korea jedoch ein Gesetz in Kraft, das den Gebrauch von Pestiziden zur Ginsengkultivierung zum Teil verbot (z. B. Quintozen, Endosulfan und Captan) [27]. Neuere Untersuchungen zeigen, daß sich die frühere Rückstandssituation bei den Organochlor-Verbindungen wesentlich gebessert hat [25, 26]. Während bei 1982 im Handel befindlichen Ginsengwurzeln [24] 3 von 5 im Pestizidgehalt über den in der PHmV erlaubten Mengen (keine genaueren Angaben) lagen, ließen sich bei Ginsengwurzeln südkoreanischen Ursprungs, die 1985 untersucht wurden [26], lediglich weit unter den Grenzwerten liegende Pestizidspuren bestimmen (α-HCH: 0,009 bis 0,048 mg/kg; β-HCH: 0,031 bis 0,074 mg/kg; γ-HCH: 0 bis 0,014 mg/kg; Heptachlorepoxid: 0,007 bis 0,045 mg/kg; HCB: 0,007 bis 0,022 mg/kg). Die Autoren folgern daraus, daß aufgrund der geringen Konzentrationen die Rückstände nicht von einer Behandlung beim Anbau des untersuchten Materials, sondern von der Kontamination des Bodens aus früheren Behandlungen stammten. Allerdings enthielten die Ginseng-Muster 0,34 bis 1,18 mg/kg des Fungizids Quintozen. Bei Zugrundelegung der PHmV ist die nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 für Tee, teeähnliche Erzeugnisse und Gewürze geltende Höchstmenge von 0,3 mg/kg in 2 Fällen überschritten (Angaben des BGA: Streubreite von 35% (= 0,1 mg/kg), auch für pflanzliche Lebensmittel akzeptiert). Diese Überschreitung wurde jedoch von den Autoren aufgrund der sehr niedrigen Grenzwerte der PHmV als nicht bedenklich eingestuft.
Gehalt: Mindestginsenosidgehalt: Berechnet als Ginsenosid Rg 1: 1,5% DAB 10; 2,0% Helv VII.
Gehaltsbestimmung: Ginsenosidbestimmung nach DAB 10 , Helv VII: 1 g pulv. Droge wird mit 50%igem MeOH (V/V) versetzt und 1 h lang im Wasserbad unter Rückfluß erhitzt. Nach dem Abkühlen wird mit 50%igem MeOH auf die ursprüngliche Masse ergänzt. Durch Zentrifugieren wird der Rückstand abgetrennt und die abdekantierte Lsg. bei höchstens 60 °C zur Trockene eingeengt. Der Rückstand wird in 0,1 M Salzsäure gelöst, in einen Scheidetrichter überführt und 2mal mit 0,1 M Salzsäure nachgespült. Die vereinigten salzsauren Lsg. werden 3mal mit der oberen Phase einer Mischung von 1‑Butanol, Chloroform und 0,1 N Salzsäure ausgeschüttelt, wobei die Absetzzeit mindestens 15 min betragen muß. Nach der dritten Ausschüttelung wird die salzsäurehaltige untere Phase verworfen. Die vereinigten org. Phasen werden anschließend 2mal mit der Unterphase der oben genannten Mischung ausgeschüttelt. Anschl. wird die Unterphase verworfen und die org. Phase im Vakuum bei max. 60 °C zur Trockene eingeengt. Der Rückstand wird in Essigsäure 98% gelöst und über ein Papierfilter filtriert, wobei die ersten 20 mL des Filtrats verworfen werden.
Zur photometrischen Bestimmung der Ginsenoside wird 1 mL der essigsauren Gesamtsaponinlösung mit 4 mL Essigsäure-Schwefelsäure-Reagenz versetzt. Als Kompensationslösung wird 1 mL Essigsäure 98% mit 4 mL des genannten Reagenz vermischt. Die Ansätze werden gemischt und 25 min lang im Wasserbad bei 60 °C erwärmt. Nach Abkühlen unter fließendem Wasser auf Raumtemp. wird die Absorption der Untersuchungslsg. bei 520 nm gegen die Kompensationslösung gemessen. Die Berechnung des Gehalts an Gesamtginsenosiden, berechnet als Ginsenosid Rg1, erfolgt mit Hilfe folgender Formel: % Ginsenoside =
A = gemessene Absorption
m1 = Masse des Zentrifugats in g
m2 = Gesamteinwaage pulverisierte Droge in g
Quantitative Ginsenosidbestimmungen können auch mittels DC, GC sowie HPLC-Trennungen durchgeführt werden [6, 11, 28, 29].
Bei der DC werden die zu untersuchenden Extrakte auf Kieselgelplatten aufgegeben und mit verschiedenen Fließmitteln entwickelt. Nach Besprühen der Platten mit Schwefelsäurereagenz können sie mit Hilfe eines Densitometers ausgewertet werden (z. B.: Dualwavelength TLC zig-zag-scanner, Wellenlängen λ S525 nm, λR760 nm) [29].
Zusammenfassende Darstellung der Trennergebnisse von 4, mit verschiedenen Fließmitteln durchgeführten DC eines Ginsenosidgemisches. FM: A BuOH-Ethylacetat‑H2O (4+1+5), B CHCl 3-MeOH‑H 2O (65+35+10), C CHCl3-MeOH-Ethylacetat‑H2O (2+2+4+1), D CHCl3-BuOH-MeOH‑H2O (4+8+3+4). Aus Lit. [29]
Nachteilig im Vergleich zur → HPLC (s. u.) ist die geringere Trennschärfe der DC sowie methodisch bedingte Unregelmäßigkeiten, wie z. B. die unterschiedliche Dicke der Kieselgelplatten, die schwer standardisierbare Probenaufgabe, die uneinheitliche Spotschärfe und die damit verbundene, relativ unpräzise densitometrische Auswertung, die eine Reproduzierbarkeit der über die DC erzielten Ergebnisse erschweren.
Die GC-Methode bestimmt die Ginsenoside nach der Hydrolyse als Panaxadiole und Panaxatriole. Da die Hydrolyse zu den Aglyka nicht quantitativ verläuft, erhält man unzuverlässige und zu niedrige Meßergebnisse [ 12].
Bei der in Lit. [28] beschriebenen HPLC-Trennung (stationäre Phase: μ-Bondapak C 18-Reversed-Phase-Säule; mobile Phase: Acetonitril-Wasser-Gradient) und Bestimmung wird die Konzentration der Einzelstoffe in Eluaten UV-spektroskopisch bei 203 nm gemessen. Lit. [12] beschreibt eine ähnliche HPLC-Methode (stationäre Phase: Nucleosil C 18; mobile Phase: Acetonitril-Wasser-Gradient), die durch die Verwendung der Nucleosil-C18-Säule eine größere Trennschärfe ermöglicht. Eine noch bessere Peaktrennung kann durch die Verwendung einer Spherisorb-NH2-Trennsäule erzielt werden (s. → HPLC-Chromatogramm). Auch hierbei erfolgt wie schon bei Lit. [12, 28] die Trennung und Bestimmung der Ginsenoside mittels Acetonitril-Wasser-Gradientenprogrammen in einem einzigen Chromatographieschritt. Vor der eigentlichen Chromatographie werden die bei der Extraktion der Wurzeln mitextrahierten Stoffe (hauptsächlich Mono‑, Di- und Oligosaccharide), die bei der HPLC-Bestimmung der Ginsenoside stören würden, mit Hilfe einer C18 ‑Festphasenextraktion entfernt. Als Referenzsubstanzen werden die als Hauptginsenoside bezeichneten sieben Saponine Rb1, Rb2 , Rc, Rd, Re, Rf, Rg1 verwendet, da weitere Reinsaponine bisher im Handel nicht erhältlich sind. Die HPLC-Methode ist zur Zeit die zur Ginsenosidbestimmung spezifischste und damit geeignetste Methode [ 12].
Lagerung: Vor Licht geschützt DAB 10; vor Licht geschützt, in gut schließenden Behältnissen ÖAB 90; vor Licht und Feuchtigkeit geschützt Helv VII; kühl und trocken in dicht schließenden Gefäßen lagern, vor Insektenfraß schützen ChinP IX.
Zubereitungen: Zubereitung 1. Trockenextrakt (Verhältnis Droge : Extrakt = 4:1), hergestellt aus dem Primärextrakt von getrockneten Ginsengwurzeln durch Extraktion mit 30% (m/m) Ethanol bei 25 bis 30 °C mit einem Mindestgesamtginsenosidgehalt von 6%, berechnet als Ginsenosid Rg1 (z. B. enthalten in Ardey® aktiv Pastillen, Orgaplasma ® Dragées).
Zubereitung 2. Trockenextrakt (Verhältnis Droge : Extrakt = 4:1), hergestellt aus dem Primärextrakt von getrockneten Ginsengwurzeln durch Extraktion mit 30% (m/ m) Ethanol bei 25 bis 30 °C mit einem Mindestgesamtginsenosidgehalt von 6%, berechnet als Ginsenosid Rg1 (z. B. enthalten in Tai Ginseng® Pastillen forte, Solaguttae® Ginseng Kapseln N, Korea Ginseng Tonikum extra stark).
Zubereitung 3. Trockenextrakt (Verhältnis Droge : Extrakt = 5:1), hergestellt aus dem Primärextrakt von getrockneten Ginsengwurzeln durch Extraktion mit 30% (V/ V) Ethanol und eingestellt auf einen Gesamtginsenosidgehalt von 4% (3,8 bis 4,2%) (z. B. enthalten in Ginsana® Ginseng Tonic Liquidum, Ginsana®Ginseng Kapseln, Ginsana® Ginseng Tabs, Geriatric Pharmaton® Kapseln).
Zubereitung 4. Ginsengwurzel-Tinktur, hergestellt mittels Ethanol 50% (Verhältnis Droge : Extrakt = 1:2,5) (z. B. enthalten in Tai Ginseng® Tonikum).
Zubereitung 5. Pulver aus getrockneten Ginsengwurzeln (z. B. enthalten in Tai Ginseng® Dragées, Kumsan Ginseng Kapseln).
Verwendung: Kosmetik. Die Droge findet auch Verwendung in der Kosmetikindustrie als Zusatz zu Haarwässern, Shampoos, Gesichtscremes etc [105, 106].
Haushalt/Gewürze. Von der Lebensmittelindustrie werden Ginsengmarmeladen und ginsenghaltiges Konfekt [ 107] im Handel angeboten.
Gesetzliche Bestimmungen: Offizielle Monographien. Aufbereitungsmonographie der Kommission E am BGA “Ginseng radix (Ginsengwurzel)” [76].
Wirkungen: Über Wirkungen der Ginsengdroge und ihrer Inhaltsstoffe existiert eine kaum überschaubare Fülle von mehreren hundert Originalia und Übersichtsartikeln. Um dennoch eine gewisse Übersichtlichkeit zu gewährleisten, wird die im folgenden beschriebene Auswahl an Untersuchungen den zwei umfassendsten, gut belegten Bereichen “adaptogene Wirkungen” und “Antiermüdungswirkung/Leistungssteigerung” zugeordnet. Falls im Text nichts anderes erwähnt ist, handelt es sich bei den genannten Extrakten (z. B. Zubereitung 3, s. → Zubereitungen), Fraktionen oder gereinigten Substanzen um Präparationen des “Weißen Ginsengs” aus Panax ginseng C. A. MEY.
Befunde der experimentellen Pharmakologie: Adaptogene Effekte
Befunde der experimentellen Pharmakologie: Physikalische Stressoren
Befunde der experimentellen Pharmakologie: Chemische Stressoren
Befunde der experimentellen Pharmakologie: Biologische Stressoren
Resorption: Die Resorption isolierter Ginsenoside wurde an verschiedenen Tiermodellen untersucht [15]. Nach p. o. Verabreichung von Tritium-markiertem Ginsenosid Rg 1 an Mäuse wurden etwa 30% der Radioaktivität relativ schnell resorbiert. Nach 1 h konnte eine Verteilung der Radioaktivität im Körper dargestellt werden, die der – mit Ausnahme des Gastrointestinaltrakts – nach i. v. Applikation (1 /3 der p. o. verabreichten Dosis) nach 20 min entsprach [72]. Bei Ratten, denen 100 mg/kg KG Ginsenosid Rg1 p. o. verabreicht worden waren, wurden 150 min nach Applikation ca. 10 μg Rg 1/g (mL) in Gewebe- und Serumproben nachgewiesen [73]. Für das Ginsenosid Rb 2 wurde nach p. o. Applikation (500 mg) an Kaninchen keine Resorption festgestellt [74].
Verteilung: Nach i. v. sowie nach p. o. Applikation des radioaktiv markierten Ginsenosids Rg1 an Mäuse konnte nach kurzer Zeit (i. v. Applikation nach 5 min; p. o. Applikation nach 1 h) Radioaktivität im ganzen Körper (Ganzkörperautoradiographie), mit Ausnahme des Gehirns (Blut-Hirn-Schranke) nachgewiesen werden. Für das Protopanaxadiol-Glykosid Rb1 wurde nach i. v. Injektion bei Minischweinen [75] und Kaninchen [74] ein kleineres VVol. als bei den Ginsenosiden der Triol-Reihe (z. B. Rg 1) gezeigt. Außerdem zeichnen sich Ginsenoside der Diol-Reihe durch eine höhere Plasmaproteinbindungskapazität als die Ginsenoside der Triol-Reihe aus (Protopanaxadiol-Glykosid: 99%; Protopanaxatriol-Glykosid: 33%).
Elimination: Das Protopanaxadiol-Glykosid Rb1 zeigte nach i. v. Injektion bei Minischweinen [75] und Kaninchen [74] eine längere Eliminierungs-HWZ sowie eine niedrigere Ganzkörper-Clearance als die Protopanaxatriol-Glykoside (z. B. Rg1). Diese Ergebnisse korrelieren mit der o. a. höheren Plasmaproteinbindungskapazität der Ginsenoside der Diol-Reihe im Vergleich zu denen der Triol-Reihe. Die Ausscheidung beider Ginsenoside erfolgt über Urin und Faeces [72].
Anwendungsgebiete: Als Tonikum zur Stärkung und Kräftigung bei Müdigkeits- und Schwächegefühl, nachlassender Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit sowie in der Rekonvaleszenz [76].
Dosierung und Art der Anwendung: Droge. Zerkleinerte Droge für Teeaufgüsse, Drogenpulver sowie galenische Zubereitungen zum Einnehmen; Tagesdosis: 1 bis 2 g Droge [76].
Unerwünschte Wirkungen: Keine bekannt [76]. Veröffentlichungen zu Ginseng-Nebenwirkungen erscheinen seit einigen Jahren in der internationalen Literatur. Es handelt sich hierbei jedoch meist um Übersichtsartikel, Kurzkommentare oder Leserbriefe, in denen Bezug genommen wird auf einige Einzelfallberichte, auf eine in Australien durchgeführte Pilotstudie sowie auf zwei offene klinische Studien in den USA [34]. Festgestellt wurden folgende Nebenwirkungen: Mastodynie [77, 78], Steigerung der sexuellen Erregbarkeit [77], estrogene Effekte bei Frauen nach der Menopause [79, 80], Bluthochdruck allein oder in Verbindung mit Verwirrtheit und Konzentrationsunfähigkeit [81]. Im Rahmen der australischen Pilotstudie [82] traten bei zwei Probanden nach der Einnahme von Ginsengkapseln Durchfälle und bei einer weiteren Person Schlaflosigkeit auf. Die angeführten Nebenwirkungsmeldungen stammen fast alle aus Ländern wie den USA, Großbritannien und Australien, in denen Ginseng nicht als Arzneipflanze angesehen wird, sondern zu den Nahrungsergänzungsmitteln (“health food”) zählt. Die in diesen Ländern vertriebenen Ginsengprodukte unterliegen folglich dort nicht der arzneimittelrechtlichen Kontrolle, auch Dosierungsanweisungen müssen nicht deklariert sein [83]. Für einige dieser “Ginseng“produkte wurden bereits Drogenverfälschungen und Zumischungen potentiell toxischen Pflanzenmaterials bzw. stark wirkender Arzneistoffe nachgewiesen [84-89]. Andere “Ginseng“präparate enthielten sogar überhaupt keine Ginsenoside [86, 87, 89, 90, 91]. Die o. a. Begleiterscheinungen der “Ginseng“medikation sind daher nicht sicher der Droge zuzuordnen und bedürfen der Überprüfung. Detaillierte Ausführungen in Lit. [ 10]
Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkungen: Nicht bekannt [76].
Wechselwirkungen: Nicht bekannt [76].
In einer amerikanischen und einer kanadischen Fallstudie wurde über Wechselwirkung zwischen ginsenghaltigen Health-food-Produkten (s.→ Unerwünschte Wirkungen) und dem MAO-Hemmer Phenelzin berichtet [92, 93]. Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen und Zittrigkeit wurden beschrieben. Die Aussage der Berichte ist aufgrund der unklaren Zusammensetzung der verwendeten Produkte jedoch zweifelhaft.
Volkstümliche Anwendungen und andere Anwendungsgebiete: Die Ginsengwurzel stammt aus der ostasiatischen Medizin, wo die Droge seit Jahrtausenden zur Stärkung bei Schwächezuständen aller Art indiziert ist: Bei allgemeiner Körperschwäche und drohendem Kollaps, kalten Gliedmaßen, vermindertem Appetit, Schwächung und Abmagerung nach langer Krankheit, Angstzuständen mit Herzklopfen und Schlaflosigkeit, Impotenz und Unfruchtbarkeit der Frau, Herzversagen und cardiogenem Schock [117].
Bei Neurasthenie, Neuralgie, Schlaflosigkeit, Hypotonie, depressiven Zuständen aufgrund sexueller Unzulänglichkeit [121].
Die Wirksamkeit bei den Indikationsgebieten, die über die unter “Anwendungsgebiete” genannten Indikationen hinausgehen, ist nicht ausreichend belegt. Es liegen hierzu weder klinische Studien noch hinreichend dokumentiertes Erfahrungsmaterial vor.
Dosierung und Art der Anwendung: Droge. Getrocknete Wurzel oder Decoct, 3mal täglich [117]. Tagesdosis: 3 bis 9 g; [117] 1 bis 2 g [121].
Akute Toxizität: Tier. Die einmalige p. o. Verabreichung eines Ginsengextrakts (Zubereitung 3) 2000 mg/kg KG an Minischweine zeigte keinen toxischen Effekt [94]. Untersucht wurden die Sterblichkeit und der Gesundheitszustand (Körpergewicht, hämatologische und biochemische Blutparameter) der Tiere. Die subakute Fütterung von Ratten mit 4000 mg/kg KG/Tag des genannten Extrakts über 20 Tage erbrachte keine Veränderungen des Blutbilds sowie der histologischen Organstruktur [94].
Chronische Toxizität: Mensch. In offenen klinischen Studien [84, 97, 98] wurden nach längerer Anwendung von hohen täglichen Dosen (bis zu 15 g) insbesondere Bluthochdruck, häufig in Zusammenhang mit Nervosität, Schlaflosigkeit, Hauterscheinungen und morgendlicher Diarrhoe registriert. Für diesen Symptomenkomplex wurde der Begriff “Ginseng Abuse Syndrome” geprägt. Die Ergebnisse dieser Studien sind jedoch aufgrund des mangelhaften Studiendesigns (fehlende Informationen über Probanden; breites Spektrum an “Ginseng“produkten ohne Angaben zur Zusammensetzung: Wurzeln, Tees, Kapseln, Tabletten, Extrakte; keine Dosierungsbeschränkungen) und der fehlenden Kontrollen nicht geeignet, die Existenz eines “Ginseng Abuse Syndromes” zu beweisen.
Tier. Bei Fütterung eines wäßrig-alkoholischen Ginsengwurzelextrakts (Zubereitung 3: 1,5 bis 15 mg/kg KG/Tag über 3 Monate) an Beagle-Hunde konnten keine pathologisch oder toxikologisch relevanten ophthalmologischen, hämatologischen und klinisch-chemischen Veränderungen gezeigt werden. Die Futteraufnahme, das Körpergewicht sowie die absoluten und relativen Organgewichte wurden nicht beeinflußt [ 95].
Ratten, denen mit dem Futter Pulver von rotem Ginseng (bis zu 0,25% der Nahrung) über einen Zeitraum von 1 bis 6 Monaten gegeben wurde, zeigten ebenfalls keine Beeinflussungen des Wachstums oder verschiedener Organgewichte. Die untersuchten Blutparameter veränderten sich nicht signifikant. Histopathologische Veränderungen wurden nicht beobachtet [96].
Mutagenität: Im Hepatocyten-DNA-repair-test wurde keine Genotoxizität des untersuchten Ginsengextrakts (Zubereitung 3), des entsprechenden ginsenosidfreien Extrakts, der Gesamtginsenoside und des Ginsenosids Rg1 festgestellt [94]. Die beiden Extrakte sowie die Gesamtsaponinfraktion zeigten in der höchsten eingesetzten Konzentration von 10 mg/mL (untersuchte Konzentrationen: 0,1 bis 10 mg/mL) cytotoxische Aktivität.
Extrakte (Extraktionsmittel: Wasser, Ethylacetat) aus rotem Ginsengpulver zeigten im Ames-Test (Salmonella typhimurium TA 98 und TA 100, S‑9-Mix) sowie im “V79-Chinese-hamster-cell-test” in allen untersuchten Konzentrationen (wäßriger Extrakt: 0,004 bis 0,1 g Wurzeläquivalent, Ethylacetat-Extrakt: 0,01 bis 1 g Wurzeläquivalent) keine mutagene Wirkung [99].
Reproduktionstoxizität: Bei chronischer Fütterung von Ginsengwurzelpulver an Ratten (bis zu 0,25% in der Nahrung) über einen Zeitraum von 6 Monaten konnte kein teratogener Effekt auf die F1- und F2-Generation beobachtet werden [96]. Auch bei Fütterung von 15 mg/kg KG/Tag eines Ginsengextrakts (Zubereitung 3) über mehrere Wochen (Beginn 3 Wochen vor Befruchtung) an Ratten wurde kein Einfluß auf die Laktation der Muttertiere oder auf den Nachwuchs festgestellt [100]. Teratogenitätsuntersuchungen wurden auch an den Feten von Ratten und Kaninchen, deren Muttertieren Ginsengextrakt (→ Zubereitung 3) verabreicht worden war (Ratten: 40 mg/kg KG p. o. vom 1. bis zum 15. Tag nach Befruchtung; Kaninchen: 20 mg/kg KG p. o. vom 7. bis zum 15. Tag nach Befruchtung) durchgeführt. Die Feten (Schnittentbindung am 21. Tag bei den Ratten und am 27. Tag bei den Kaninchen) zeigten in beiden Fällen keine Anomalien in ihrer Entwicklung [95].
Toxikologische Daten: LD-Werte. LD50 ‑Werte einer neutralen Saponinrohfraktion (Hauptkomponenten: Rb1 , Rb2, Rc): Maus 500 bis 910 mg/kg KG i. p.; [101, 102, 103] 367 mg/kg KG i. v.; [101] >5000 mg/kg KG p. o. [101].
LD50-Werte einer neutralen Saponinfraktion (Hauptkomponenten: Rb und Rc): Maus ca. 500 mg/kg KG i. p. [102].
LD-Werte einer nicht näher definierten lipophilen Fraktion: Maus 2000 bis 3000 mg/kg KG i. p. [ 102].
LD50-Werte einer polaren Fraktion (mit Rg2 und Rg3 und als Hauptkomponente Rg1): Maus 500 bis 1000 mg/kg KG i. p [ 102].
LD50-Werte gereinigter Ginsenoside: Maus, i. p., Rg 1: 1250 mg/kg KG, Rf: 1340 mg/kg KG, Re: 405 mg/kg KG, Rd: 324 mg/kg KG, Rc: 410 mg/kg KG, Rb1: 1110 mg/kg KG, Rb2 : 305 mg/kg KG [104].
Monographie Panax Ginseng radix Teil 0: Panax, Teil 1: Panax ginseng C.A. MEY., Teil 2: Ginseng radix (Ginsengwurzel), Teil 3: Adaptogene Effekte, Teil 4: Physikalische Stressoren, Teil 5: Chemische Stressoren, Teil 6: Biologische Stressoren, Teil 7: Anti-Ermüdungswirkung / Leistungssteigerung, Teil 8: Literatur