Monographie Ginseng radix (Ginsengwurzel), Teil 6

Radix ginsengBefun­de der expe­ri­men­tel­len Pharmakologie

Biologische Stressoren

An Rat­ten und neu­ge­bo­re­nen Mäu­sen wur­de die Anti­tu­mor-Wir­kung eines nicht näher defi­nier­ten Extrak­tes aus rotem Gin­seng auf die durch ver­schie­de­ne che­mi­sche Car­ci­no­ge­ne indu­zier­te Tumor­bil­dung unter­sucht [50]. Den Tie­ren wur­de mit dem Trink­was­ser (ad libi­tum) Gin­seng­ex­trakt (1 mg/​mL) zuge­führt. Die Car­ci­no­ge­ne DMBA (9,10-Dimethyl‑1,2‑benzanthracen, 30 µg) und Ure­than (1 mg) wur­den den Tie­ren ein­ma­lig s. c. appli­ziert, AAF (N ‑2-Fluo­re­nyl­acet­amid, 100 µg) und Afla­to­xin B1 (8 µg) hin­ge­gen täg­lich über einen Zeit­raum von 5 Tagen. Bei DMBA-Ver­ab­rei­chung tra­ten nach 26 Wochen in der Gin­seng­grup­pe 17% weni­ger Lun­gena­de­n­o­me im Ver­gleich zur Kon­troll­grup­pe auf. Bei einer Ver­suchs­dau­er über 26 Wochen beein­fluß­te die Gin­seng­ver­ab­rei­chung die Ade­no­min­zi­denz nicht, inhi­bier­te aber die Pro­li­fe­ra­ti­on der DMBA-indu­zier­ten Ade­no­me (durch­schnitt­li­che Durch­mes­ser­ver­klei­ne­rung um 23%, Ver­rin­ge­rung der dif­fu­sen pul­monä­ren Infil­tra­ti­ons­häu­fig­keit um 63%). Eine Gin­seng­ver­ab­rei­chung über 50 Wochen führ­te im Fall des Car­ci­no­gens Ure­than sowohl zu einer Ver­rin­ge­rung der Lun­gena­de­no­min­zi­denz um 15% als auch zu einer Hem­mung der dif­fu­sen pul­monä­ren Infil­tra­ti­on. Für Afla­to­xin B1 konn­te nach 56wöchiger Behand­lungs­zeit eine 29%ige Abnah­me der Lun­gena­de­no­min­zi­denz und eine 75%ige Reduk­ti­on der Hepatomin­zi­denz gezeigt wer­den. Die Gin­seng­ap­pli­ka­ti­on beein­fluß­te nicht die durch AAF bzw. durch das Sar­ko­me-indu­zie­ren­de MNNG (N-Methyl-N ‘-Nitro­so-N-Nitro­gua­ni­din, 3 mg) her­vor­ge­ru­fe­ne Can­ce­ro­ge­ne­se. Eine sta­tis­ti­sche Aus­wer­tung der Ergeb­nis­se wur­de nicht vorgenommen.

Die Wir­kung einer etha­nol­un­lös­li­chen Frak­ti­on eines wäß­ri­gen Gin­seng­wur­zel­ex­trakts (Per­ko­la­ti­on des Wur­zel­ma­te­ri­als mit Aqua dest. 1:3, Gefrier­trock­nung, Fäl­lung mit 95%igem (V/​V) EtOH 1:3, Dro­gen­ge­halt: 6,1%) auf die Ent­wick­lung Benzpyren-(BP-)induzierter Tumo­re wur­de an Mäu­sen unter­sucht. 24 h alten Mäu­sen wur­den s. c. in die Sca­pu­la-Regi­on 0,02 mL einer 0,5 mg BP ent­hal­ten­den Sus­pen­si­on inji­ziert. Ab der 3. Woche nach BP-Behand­lung erhiel­ten die Tie­re mit dem Trink­was­ser ad libi­tum 2 mg/​mL, 1 mg/​mL oder 0,5 mg/​mL der genann­ten Frak­ti­on für den Zeit­raum von 6 Wochen. Anschlie­ßend wur­den die Tie­re getö­tet und das Lun­gen­ge­we­be unter­sucht. Die Lun­gen­tu­mo­r­in­zi­denz in den Grup­pen, die 2 bzw. 1 mg/​mL der Frak­ti­on über 6 Wochen im Trink­was­ser erhal­ten hat­ten, war signi­fi­kant (p 0,05) um 60% redu­ziert. In der 3. Grup­pe (0,5 mg/​mL Trink­was­ser) wur­de eine 40%ige, jedoch nicht mehr signi­fi­kan­te Reduk­ti­on der Tumo­r­in­zi­denz fest­ge­stellt [51].

An Mäu­sen wur­de die Wir­kung einer nicht näher defi­nier­ten Polys­ac­cha­rid­frak­ti­on (PSG) auf das Wachs­tum implan­tier­ter Tumo­ren (Ehr­lich-Asci­tes-Car­ci­nom-Zel­len, Sar­kom-180-Tumor­zel­len), auf die Über­le­bens­zeit und den Immun­sta­tus unter­sucht [52]. Die intrag­lu­teale Appli­ka­ti­on von 200, 400 und 800 mg PSG/​kg KG/​Tag für 10 bis 20 Tage einen Tag nach Tumorim­plan­ta­ti­on führ­te zu einer dosis­ab­hän­gi­gen signi­fi­kan­ten Ver­län­ge­rung der Über­le­bens­zeit (13,8%, p 0,05; 14,6%, p 0,01; 20%, p 0,01), zu einer signi­fi­kan­ten Reduk­ti­on der Krebs­zell­zah­len (Kon­troll­grup­pe: 10,5 × 10 7 Ehr­lich-Asci­tes-Car­ci­nom-Zel­len/mL Asci­tes, Gin­seng­grup­pe (400 mg/​kg KG): 7,2 × 107 Zellen/​mL, p 0,01) sowie zu einer signi­fi­kan­ten Sti­mu­lie­rung der Plaques-bil­den­den Zel­len (Kon­troll­grup­pe: 103 Zellen/​106 Milz­zel­len; Gin­seng­grup­pe (400 mg/​kg KG): 352 Zellen/​106Milz­zel­len) und der Roset­ten-bil­den­den Zel­len (Kon­troll­grup­pe: 2747 Zellen/​106 Milz­zel­len; Gin­seng­grup­pe (400 mg/​kg KG): 7493 Zellen/​106 Milz­zel­len). Bei gesun­den Mäu­sen wur­de kei­ne immu­notro­pe Wir­kung nachgewiesen.

An Mäu­sen, denen Ehr­lich-Asci­tes-Car­ci­nom-Zel­len ent­we­der i. p. (Asci­tes-Tumor) oder s. c. (soli­der Tumor) inji­ziert wor­den waren, wur­de die Anti­tu­mor-Akti­vi­tät eines Extrak­tes aus rotem Gin­seng (Extrak­ti­ons­mit­tel: Metha­nol 70% (V/​V), kei­ne wei­te­ren Anga­ben) unter­sucht [53]. Die 2 Tage nach der Tumo­r­inoku­la­ti­on begon­ne­ne p. o. Ver­ab­rei­chung von 50, 200 oder 500 mg Ginsengextrakt/​kg KG/​Tag für 10 bis 12 Tage führ­te im Fall des soli­den Tumors zu einem signi­fi­kant ver­rin­ger­ten Wachs­tum um 26 bis 42% (p 0,05 bis p 0,01), im Fall des Asci­tes-Tumors zeig­te sie kei­ne Wir­kung auf die Pro­li­fe­ra­ti­on. Eine Stei­ge­rung der Cyto­to­xi­zi­tät von Mitomy­cin C (0,1 mg/​kg KG/​Tag i. p. jeden zwei­ten Tag für 6 Tage, Beginn 2 Tage nach Tumo­r­inoku­la­ti­on) nach zusätz­li­cher Gin­seng­ex­trakt­ver­ab­rei­chung (500 mg/​kg KG/​Tag p. o. für 10 Tage) konn­te bei der Asci­tes­form nach 60 Tagen beob­ach­tet wer­den (signi­fi­kan­te Stei­ge­rung der 30-Tage-Über­le­bens­ra­te um 75%). Die Min­dest­über­le­bens­zeit ver­län­ger­te sich um ca. 10 Tage (53%). Für die soli­de Tumor­form wur­de bei kom­bi­nier­ter The­ra­pie (Mitomy­cin C: 0,5 mg/​kg KG/​Tag i. p. für 6 Tage; Gin­seng­ex­trakt: 500 mg/​kg KG/​Tag p. o. für 12 Tage) eine Tumor­in­hi­bi­ti­ons­ra­te von 72,9% bestimmt (p 0,01). Dar­über hin­aus waren die lys­o­so­ma­len Enzym­ak­ti­vi­tä­ten (sau­re Des­oxy­ri­bo­nu­clea­se, ß ‑Glu­cu­ro­ni­da­se, sau­re Phos­phat­a­se) der Ehr­lich-Asci­tes-Car­ci­nom-Zel­len in der mit Gin­seng­ex­trakt behan­del­ten Grup­pe (500 mg/​kg KG/​Tag) signi­fi­kant erhöht (p 0,05). Eine anti­in­fek­tiö­se Wir­kung der p. o. Admi­nis­tra­ti­on eines wäß­rig-alko­ho­li­schen Gin­seng­ex­trakts (s. ? Zube­rei­tung 3) wur­de bei Mäu­sen nach Infek­ti­on mit dem Sem­li­ki-Forest-Virus (SFV: 100fache LD50-Dosis s. c.) dar­ge­stellt [54]. Den Mäu­sen wur­den über einen Zeit­raum von 5,5 Tagen vor (pro­phy­lak­tisch) und 3,5 Tage nach der Infek­ti­on (the­ra­peu­tisch) zwei­mal täg­lich 5 mg des Extrakts gege­ben. Beob­ach­tet wur­den die Tie­re jeweils über einen Zeit­raum von 20 Tagen. Durch die Gin­seng­be­hand­lung konn­ten 34 bis 40% (p 0,02 bis p 0,001) der infi­zier­ten Mäu­se geschützt wer­den, d. h. die Infek­ti­on hat­te in die­sen Fäl­len kei­nen leta­len Aus­gang (Kon­trol­len: 96 bis 100% letal). Die über­le­ben­den Tie­re ent­wi­ckel­ten kei­ner­lei neu­ro­lo­gi­sche Defi­zi­te. Sie zeig­ten dar­über hin­aus Immu­ni­tät bei erneu­ter SFV-Belas­tung. Kli­ni­sche Stu­di­en: In einer Pla­ce­bo-kon­trol­lier­ten Ein­fach­blind­stu­die wur­den 120 gynä­ko­lo­gi­sche Pati­en­tin­nen (20 bis 65 Jah­re) wäh­rend der Rekon­va­les­zenz nach Lapa­roto­mie beob­ach­tet [55]. Per­oral ver­ab­reicht wur­den 230 mg/​Tag Gin­se­no­sid­tri­ol (nicht genau­er defi­niert, ent­spre­chend 7,5 g Gin­seng­wur­zel) über einen Zeit­raum von 3 Wochen. Nach Abschluß der Behand­lung wur­den in der Ver­um­grup­pe im Ver­gleich zur Pla­ce­bo­grup­pe signi­fi­kan­te Unter­schie­de der Ver­än­de­rung der Leu­ko­cy­ten­zahl (Pla­ce­bo­grup­pe: – 1910 Zellen/​mm [3], Ver­um­grup­pe: +96 Zellen/​mm [3]; p 0,05), des Gesamt­se­rum­pro­te­ins (Pla­ce­bo­grup­pe: +0,55 mg/​dL, Ver­um­grup­pe: +4,0 mg/​dL, p 0,01) und des Kör­per­ge­wichts (Pla­ce­bo­grup­pe: +0,18 kg, Ver­um­grup­pe: +1,17 kg, p 0,01) fest­ge­stellt. Zudem wur­de die Abnah­me des Blut­glu­co­se­spie­gels signi­fi­kant ver­min­dert (Pla­ce­bo­grup­pe: –32,5 mg/​dL, Ver­um­grup­pe: –21,6 mg/​dL, p 0,01) und auch die in der Pla­ce­bo­grup­pe zu beob­ach­ten­de Cho­le­ste­rol­spie­geler­hö­hung signi­fi­kant ver­rin­gert (Pla­ce­bo­grup­pe: +21,6 mg/​dL, Ver­um­grup­pe: +11,5 mg/​dL, 0,05 p 0,1). Die Gin­seng­me­di­ka­ti­on hat­te kei­nen Ein­fluß auf den Hämoglobin‑, den Häma­to­krit- und den Serum­al­bu­min­ge­halt sowie den Blut­druck und das All­ge­mein­be­fin­den (z. B.: Appe­tit, Ver­dau­ung) der Rekon­va­les­zen­tin­nen. Nähe­re Anga­ben zu den Grund­er­kran­kun­gen feh­len, eben­so zu den Aus­gangs- und End­wer­ten; daher sind die Ergeb­nis­se kaum inter­pre­tier­bar. In einer Pla­ce­bo-kon­trol­lier­ten Ein­fach­blind­stu­die mit 50 Cer­vix­c­ar­ci­nom­pa­ti­en­tin­nen (21 bis 60 Jah­re) unter Bestrah­lungs­the­ra­pie (Kobalt 60, 4500 bis 5075 rad/​Tag) wur­de die Wir­kung der Gin­seng­me­di­ka­ti­on auf die Rege­ne­ra­ti­on des Kno­chen­marks unter­sucht [56]. Die Ver­ab­rei­chung von 5 g Pul­ver aus rotem Gin­seng pro Tag für 5 Wochen erhöh­te die Blut­plätt­chen­zahl ab der 3. Woche von 2,08 × 105 /​mm3 auf 2,39 × 105/​mm3 im Ver­gleich zur Pla­ce­bo­grup­pe (3. Woche: 2,35 × 10 5/​mm3, 5. Woche: 2,21 × 105 /​mm3) signi­fi­kant (p 0,05). Auf die übri­gen Blut­pa­ra­me­ter sowie die wäh­rend einer Strah­len­the­ra­pie auf­tre­ten­den Kom­pli­ka­tio­nen (Anore­xie, Müdig­keit, Nau­sea, Erbre­chen) hat­te die Gin­seng­me­di­ka­ti­on kei­ne Auswirkung. 


Mono­gra­phie Panax Gin­seng radix Teil 0: Panax, Teil 1: Panax gin­seng C.A. MEY., Teil 2: Gin­seng radix (Gin­seng­wur­zel), Teil 3: Adap­to­ge­ne Effek­te, Teil 4: Phy­si­ka­li­sche Stres­so­ren, Teil 5: Che­mi­sche Stres­so­ren, Teil 6: Bio­lo­gi­sche Stres­so­ren, Teil 7: Anti-Ermü­dungs­wir­kung /​ Leis­tungs­stei­ge­rung, Teil 8: Literatur

Bild­nach­weis
• Man­fred Schüt­ze (pixelio.de, 89946).
Zitiert nach
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