Regenwurm, Lumbricus terrestris, L. [Bonnet, In-sectol. II. tab. 4.] röthlich, mit acht, paarweise gestellten Borstenreihen, und rüsselförmigem Munde. Dieser sechs bis acht Zoll lange Wurm, welcher hinter dem 26sten bis 30sten Ringel einen erhabenen runzlichten, auf beiden Seiten mit drei kleinen Oefnungen versehenen Gürtel hat, wo die Zeugungstheile liegen, wohnet in feuchter, vorzüglich Holzerde, nährt sich unter andern von den Keimblättern der Pflanzen, kriecht nach warmem Regen und in Thaunächten aus der Erde, um sich zu begatten, wird durch Ruß vertilgt, und dient dem Maulwurfe, dem Igel, den Eidechsen, dem Huhne und der Wiesenschnarre zum Fraße.
Diese ziemlich modericht riechenden, geschmacklosen Thiere (Lumbrici terrestres, Vermes terrae) werden an feuchten Orten unter den Steinen aufgesucht, oder in Gärten zur Nachtzeit, oder nach Gewitterregen. Sonst kommen sie auch hervor, wenn man das Erdreich mit einem starken Dekokt von Hanfblättern oder grünen Nußschalen begießt.
Zur Arznei wäscht man sie mit vielem Wasser ab, bis sie nichts Erdiges mehr von sich geben und preßt den Saft davon ab, oder läßt sie nach dem Abwaschen mit etwas Wein begossen, sterben, trocknet sie dann entweder an der Sonne oder im Backofen und pülvert sie (Lumbrici praeparati). Aus diesem Pulver destillirte man ehedem vor sich aus der Retorte eine ammo-niaklaugensalzige Feuchtigkeit (Spiritus lumbricorum volatilis), die dem Hirschhorngeiste sehr ähnlich ist, und trieb bei nachgängiger Verstärkung des Feuers ein trocknes ölichtes Ammoniaklaugensalz auf (Sal volatile Lumbricorum), welches durch nochmah-lige Sublimation mit gebrannten Knochen gereinigt werden mußte, ehe es zum Gebrauche dienlich war; ein vom Hirschhornsalze kaum abweichendes Produkt. Den Spiritus gab man zu 20 und 30, und das Salz zu 3 bis 6 Gran innerlich.
Sonst ließ man auch die abgewaschenen Regenwürmer mit gleichen Theilen Baumöl und einem Achtel des Ganzen Wein sieden, bis aller Wein verdunstet war, (Oleum lumbricorum coctum), oder man digerir-te die frisch abgewaschenen Thiere mit etwa drei Theilen Branntewein ein Paar Tage lang und destillir-te dann den Geist (Spir. lumbricorum vinosus) bis zum Uebergange der Hälfte Flüssigkeit ab, offenbar ein bloßer Weingeist, der keine Kraft von Regenwürmern enthält.
Ueberhaupt ist es auch sehr zweifelhaft, ob die rohen, oder gepülverten Regenwürmer die mindeste beträchtliche Arzneikraft äußern, ob nicht vielmehr ihr innerer Gebrauch gegen Gelbsucht, Gicht und Wassersucht unbedeutend und eingebildet, so wie die äußere Anwendung des Oels und des weingeistigen Spiritus auf gichtische und gelähmte Glieder mehr schädlich als nützlich sei. Man läßt eine Unze des ausgedrückten Saftes, und ein Quentchen des Pulvers nehmen. Der wässerige Regenwürmerspiritus und das flüchtige Salz können vermuthlich den ungleich wohlfeilern Produkten aus Knochen und Hörnern in Rücksicht der Arzneikraft an die Seite gesetzt werden.