Millionen Menschen leiden bei uns (bis 20%) unter der Reizdarm-Erkrankung („Reizdarm-Syndrom“, RDS). Wegen zumeist fehlender körperlicher Veränderungen wie Entzündungen, Schwellungen oder Blutveränderungen tun viele Ärzte die Erkrankung als „eingebildet“ ab, der Spiegel zählte sie sogar zu den „erfundenen Krankheiten“ (Nr. 33, Aug. 2003). Die Betroffenen selbst leiden jedoch meist sehr unter ihren Beschwerden (schmerzhafter Durchfall, oft auch im Wechsel mit quälender Verstopfung, Leibschmerzen oder krampfartigen Blähungen). Auch die Magen-Darm-Fachärzte („Gastro-Enterologen“) erfinden die Krankheit nicht – jede zweite ihrer Patientinnen leidet unter RDS-Beschwerden.
Ein Reizdarm wird diagnostiziert, wenn die Beschwerden andauernd (mindestens 3 Monate in Folge) oder immer wieder neu auftreten (=„chronisch“ beziehungsweise „chronisch-rezidivierend“). Und keine körperlichen („organischen“) Veränderungen nachweisbar sind. Je nachdem, welche Beschwerden im Vordergrund stehen, gibt es vier RDS-Typen: Durchfall (Typ I), Verstopfung (Typ II), Blähungen und Schmerzen (Typ III) und Blähsucht und Gasbildung (Typ IV).
Die Beschwerden:
- Verstopfung oft kombiniert mit Schmerzen im Bereich eines Dickdarm-Abschnittes
- Schmerzen sind entweder anfallsweise und krampfend („kolikartig“) oder anhaltend und dumpf
- Stuhlgang kann Beschwerden lindern
- dem Stuhl ist oft klarer oder weißlicher Schleim aufgelagert
- nach dem Stuhlgang oft das Gefühl unvollständiger Entleerung
- Durchfall oft überfallartig plötzlich, zum Beispiel morgens gleich nach dem Aufstehen oder nach dem Essen, starker Stuhldrang
- Durchfall ist zumeist mit Schmerzen verbunden
- häufig sind Begleit-Beschwerden wie unklare Leibschmerzen mal hier, mal dort, Blähungen, starke Darmwinde, Übelkeit, Magendrücken, Aufstoßen, auch Sodbrennen
- erstmaliges Auftreten zumeist im 3. oder 4. Lebensjahrzehnt
- Häufigkeit: 10–20% der Bevölkerung in den meisten Ländern der Welt
- sehr wechselhafter Verlauf der Beschwerden, zum Beispiel Wechsel zwischen zwanghaft-quälendem Durchfall und drückender Verstopfung
- RDS-Symptome treten vor allem tagsüber auf, weniger nachts
- akuter Stress und andere Ereignisse verschlimmern Beschwerden.
Ursachen Ärzte haben bislang kaum Greifbares herausgefunden. Klar ist nur, dass kein Organ so empfindlich, rasch und stark auf innere und äußere Reize reagiert wie der Darm. Und zwar auch schon bei Gesunden. Klar ist auch, dass es – außer Gehirn und Rückenmark (=zentrales Nervensystem, ZNS) – in keinem Organ soviele Nerven gibt wie im Darm – das sogenannte Darm-Gehirn. Und dieses hängt eng mit dem ZNS zusammen, weshalb zum Beispiel Dauer-Stress, ein plötzlicher Schreck oder Dauerangst bis zum Darm “durchschlagen“ können. Dies haben auch viele Menschen ohne Reizdarm schon selbst erfahren. Dass besonders „seelisch angeknackste“ Menschen mit „gestörtem Nervenkostüm“ zu Reizdarm neigen, ist mit die beliebteste ärztliche Einschätzung. Diese ist jedoch völlig falsch, denn das Gegenteil ist wahr: Manche Reizdarm-Patienten bekommen wegen ihrer jahrelangen, schlimmen Leidensgeschichte seelische Probleme wie Depressionen, übersteigerte Empfindlichkeit, Schlafprobleme, Leistungsschwäche, Müdigkeit – nicht umgekehrt.
Reizdarm: Asthma der Eingeweide? Beim RDS ist die Reizempfindlichkeit der Bauch-Eingeweide stark erhöht („viszerale Hypersensitivität“). Ähnlich wie bei Asthma, wo die Atemwege stark überempfindlich reagieren. Das „limbische System“ im Gehirn steuert einerseits alle Lebensfunktionen im Körper, auch den Darm. Und ist andererseits für alle Gefühls-Reaktionen (Wut, Freude, Angst) zuständig. Bei Reizdarm-Patienten ist diese Gehirnregion aktiver als bei Gesunden. Eine Folge: Der Darm reagiert viel zu früh und/oder schon auf kleine Reize (zum Beispiel geringe Darmfüllung), auch kleine emotionale Reize (zum Beispiel leichter Stress).
Diagnose Eine Diagnose-Verfahren für RDS gibt es nicht. Deshalb wird eine, oft aufwändige Ausschluss-Diagnostik mit allen Mitteln der modernen Medizin durchgeführt. Das heißt: Es werden alle Darm-Krankheiten ausgeschlossen, die mit Maschinen, Gewebeuntersuchung, Blut- oder Stuhltests nachweisbar sind. Zum Beispiel eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung, Darmkrebs oder Darmwand-Aussackungen („Divertikulose“). Dieses Vorgehen ist im Interesse der Patientinnen, denn die Diagnose RDS hat auch etwas Positives: RDS ist nämlich
- weder akut noch auf lange Sicht lebensbedrohlich,
- breitet sich nicht bösartig auf andere Organe aus und
- führt auch nicht zum Tode.
Behandlung
Die Schulmedizin bietet keine spezifische Behandlung, sondern nur Allgemein-Maßnahmen, die im Einzelfall mal hilfreich sein können: Ernährungsberatung, verstärkte körperliche Aktivität (vor allem Ausdauersport), Stressabbau oder Entspannungsübungen. Medikamente sollen Beschwerden lindern und sind gegen Verstopfung, Durchfall, Schmerzen oder Krämpfe gerichtet. Die naturheilkundliche Medizin richtet sich weniger gegen die Beschwerden, sondern mehr gegen mögliche Ursachen bei gestörter Darm-Funktion.
Arzt/Heilpraktiker Oft sehr gute Wirkungen erzielt die traditionelle chinesische Medizin (TCM), vor allem mit der Akupunktur. Wie bei allen chronischen Erkrankungen ist es jedoch nicht mit einer Behandlung getan, 6–12 Sitzungen werden oftmals nötig. Kaum eine Alternativtherapie wirkt so tiefgreifend bei funktionellen Erkrankungen auch des Darmes wie die Homöopathie. Auch hier ist Geduld vonnöten, selbst wenn Patienten immer wieder von beeindruckenden Soforterfolgen berichten. Bei der Fußreflexzonen-Behandlung werden zart und vorsichtig mit dem Darm korrespondierende Druckzonen der Füße massiert oder gedrückt. Da der Darm so sehr empfindlich auf Reize reagiert und man bei Selbstbehandlung rasch zuviel des Guten tun kann, sollte die Behandlung nur von erfahrenen Therapeuten durchgeführt werden. Nötig sind 6–12 Sitzungen für jeweils knapp 30 Minuten. Verfahren wie Autogenes Training dienen nicht nur der, für viele Reizdarm-Patientinnen wichtigen Entspannung. Sondern sie erlauben auch – nach mehrmonatiger regelmäßiger Übung – eine Art „Selbst-Hypnose“, mit der Patienten Körperfunktionen mitregulieren können. Und so zum Beispiel die überschießende Reaktionen des Darms harmonisieren. Einführungskurse umfassen 10–12 Abendkurse (Krankenkassen, Volkshochschule, Ärzte). Nachteil fast aller Behandlungen Ärzte, Heilpraktiker oder andere Health Professionals ist ihr oft hoher Preis – keine Krankenkasse übernimmt diese Kosten.
Selbstbehandlung (auch als Unterstützung der medizinischen Therapie)
- Mineralsalze nach Schüssler („Biochemie“) (Apotheke) müssen kurmäßig über mindestens 3–8 Wochen eingenommen werden. Wichtig bei Reizdarm sind zum Beispiel (1–2x täglich 1 Tablette, gleichzeitige Verwendung möglich):
- Komplex-Biochemie (mehrere Schüßlersalze kombiniert (Apotheke). Diese sogenannten Bicomplex-Mittel sollten ebenfalls kurmäßig über mindestens sechs Wochen eingenommen werden (längere Einnahme ist problemlos möglich). Ein besonderer Vorteil: Bei Bicomplex-Mitteln entfällt der Umgang mit mehreren einzelnen Schüßler-Mineralsalzen. Die nachfolgend genannten Mittel können im täglichen Wechsel eingenommen werden.
- Das Darmmittel (DHU Bicomplex 3, PZN 0544846)
- Das Krampfmittel (DHU Bicomplex 5, PZN 0544869)
- Das Konstitutionsmittel (DHU Bicomplex 23, PZN 0545047)
- Die Bach-Blütentherapie ist besonders hilfreich, wenn vor allem Gefühlsmäßiges oder Stress auf den Darm „schlagen“, zum Beispiel folgende Mittel:
- Rock Rose (gelbes Sonnenröschen), wenn akute Angstzustände, Schrecken oder Panikgefühle vorherrschen
- Beech (Rotbuche), bei wenig Einfühlungsvermögen in andere und Ich-Bezogenheit
- Agrimony (Odermennig) bei Übersensibilität und Schüchternheit
- Besser als die Selbstbehandlung mit homöopathischen Einzelmitteln ist oft eine Kombination mehrerer Mittel, die sogenannten Komplexmittel. Verschiedene Produkte sind speziell für die Reizdarm-Erkrankung zusammengestellt, zum Beispiel:
- Plumbum aceticum Oligoplex®
- Spascupreel®
- Pflanzliche Heilmittel lindern beim Reizdarm Beschwerden, nachhaltig heilend wirken sie nur bei sehr individueller Anwendung durch erfahrene BehandlerInnen.
- Wichtig sind auch miteinander kombinierte Heilpflanzen (Apotheke): Kamille, Pfefferminze, Gelbwurz und Schöllkraut. Bei Durchfall auch indische Flohsamen (oder die Schalen) oder gerbstoffhaltige Pflanzen wie zum Beispiel Uzarawurzel. Bei Blähung und Völlegefühl helfen die Früchte von Anis, Fenchel und Kümmel, auch in Kombination mit beruhigendem Lavendel. Auch Pfefferminzöl-Kapseln wirken gut entblähend. Pflanzliche Kombinationsmittel, die unter anderem die bittere Schleifenblume und Mariendistelfrüchte enthalten (Apotheke), wirken zusätzlich entkrampfend und regen gleichzeitig die Darmbeweglichkeit an.
- Wenn Sie sich gesund ernähren, helfen Sie Ihrem Darm, wieder gesund zu werden. Achten Sie deshalb auf gut verträgliche und verdauliche Speisen, essen Sie langsam, kauen Sie lange. Speicheln Sie jeden Bissen gut ein. Essen Sie wenig blähenden Speisen.
- Und: Legen Sie sich auch mal zur Entspannung eine Wärmflasche auf den Bauch. Versuchen Sie, etwas ruhiger und ausgeglichener zu sein, verabschieden Sie – wenigstens am Wochenende – Stress, Hektik und Ärger.
- Wenn Sie dazu noch etwas Sport treiben und sich mehr bewegen, wird es Ihnen auch Ihr Darm danken.
Autor
• Rainer H. Bubenzer, Gesundheitsberater, Bicomplexe.Heilpflanzen-Welt.de, Berlin, Januar 2011.