Salpeter

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Sal­pe­ter (Nitrum, Nitrum pris­ma­ti­cum, Alca­li vege­ta­bi­le nitra­tum, Kali nitra­tum) ist ein Neu­tral­salz, wel­ches in hei­ßen Kli­ma­ten oft reich­lich an der Ober­flä­che der Erde, oder in Krei­de­gru­ben aus­blüht, bei uns aber mit Hül­fe der Kunst zusam­men­ge­setzt wird, indem man Wän­de, von Stroh, Lehm, Sei­fen­sie­der­asche und Schutt auf­ge­führt, wel­che Kalk und Bit­ter­er­de ent­hal­ten) unter einem, wenig Luft­zug ver­stat­ten-den Obda­che meh­re­re Jah­re ste­hen läßt, und öfters mit Blut und Harn anfeuch­tet, dann die äuße­re, abge­kratz­te Erd­schicht der Wän­de, wel­che eine hin­läng­li­che Men­ge aus­blü­hen­den Sal­zes zeigt, mit Holz­asche ver­mischt, mit wei­chem Was­ser aus­laugt, und die Lau­ge so weit ein­sie­det, daß in der Käl­te der Sal­pe­ter anschie­ßen kann. Wech­selswei­ser Zutritt des rei­nen Theils der atmo­sphä­ri­schen Luft und des Stick­ga­ses aus den thie­r­i­schen Abfäl­len zu der immer feucht erhal­te­nen Kalk- und Bit­ter­er­de in den Lehm­wän­den mag wohl die Erzeu­gung der erdi­gen Sal­pe­ter­sal­ze bewir­ken, wel­che beim Aus­lau­gen durch das Alka­li der zuge­setz­ten Holz­asche zer­setzt, nun wah­ren pris­ma­ti­schen Sal­pe­ter her­ge­ben. Die vom ers­ten Sal­pe-ter­an­schus­se übrig blei­ben­de Mut­ter­lau­ge ent­hält erdi­ge Sal­pe­ter­sal­ze. In ältern Zei­ten prä­zi­pi­tir­te man sie mit Pota­sch­auf­lö­sung, und nenn­te die nie­der­ge­schla­ge­ne Erde Magne­sia nitri(w.s.). Seit­dem man aber weiß, daß sie gewöhn­lich aus Kalk­er­de besteht, gießt man die­se Lau­ge wie­der auf die Wän­de. Die­ser rohe, gro­ße Ver­bes­se­run­gen bedürf­ti­ge Pro­zeß bringt den rohen Sal­pe­ter (Nitrum cru­dum) her­vor, wel­cher von schmut­zi­ger Far­be und an der Luft feuch­tend, noch erdi­ge Sal­ze und Küchen­salz bei sich führt, von denen er mit­telst eines hin­rei­chen­den Zusat­zes von Pota­sche (zur Zer­set­zung der erdi­gen Sal­ze), durch star­kes Ein­sie­den der durch­ge­sei­he­ten Lau­ge bis zur spe­zi­fi­schen Schwe­re von 1, 400 damit das Koch­salz (Korn) abge­setzt wer­de, dann durch aber­mah­li­ge Ver­dün­nung der Lau­ge mit einem Drit­tel des Gan­zen an wei­chem kochen­den Was­ser und Hin­stel­lung der­sel­ben (am bes­ten in Frost­käl­te) zum Krystal­li­si­ren, gerei­nigt oder raf­fi­nirt wird.

Die­ser raf­fi­nir­te oder geläu­ter­te Sal­pe­ter ist ein Neu­tral­salz in lan­gen sechs­sei­ti­gen, gerieften Säu­len, mit sechs­sei­ti­gen, oft schräg abge­stuz­ten End­spit­zen, im Hun­dert aus 63 Thei­len Pota­schlau­gen­salz, aus 30 Thei­len Sal­pe­ter­säu­re und 7 Thei­len Was­ser zusam­men­ge­setzt, von käl­ten­dem, schar­fem, end­lich bit­term Geschma­cke. Sei­ne Auf­lö­sung, wenn er ganz rein ist, wird weder von zuge­tröp­fel­tem Lau­gen­sal­ze, noch von der Sil­ber­auf­lö­sung in Sal­pe­ter­säu­re, getrübt; wel­ches aber höchst sel­ten geschieht. Gewöhn­lich ent­hält er immer noch Koch­salz. In 480 Thei­len Was­ser lösen sich bei 50° Fahr. 60 Thei­le, bei 59° Fahr. 70 Thei­le, bei 65° Fahr. 90 Thei­le, bei 1441/​2° Fahr. 460 Thei­le und bei 212° Fahr. wenigs­tens 480 Thei­le Sal­pe­ter auf. Im Glü­hen fließt er und geht dann bald in glü­hen­des Kochen über, wobei sich aus einer Unze auf 80 Kubik­zoll rei­ne Luft ent­bin­den und das rück­stän­di­ge Lau­gen­salz ist bloß noch mit nitrö­ser Luft gesät­tigt, nicht aber rei­nes Lau­gen­salz, wie man gewöhn­lich wähnt.

Wird er im Glü­hen von brenn­ba­ren Sub­stan­zen berührt, so zer­setzt sich sei­ne Säu­re unter einem star­ken Getö­se gänz­lich, wel­ches Ver­puf­fen (Deto­na­tio) genannt wird.

Die­ser Eigen­schaft zufol­ge ver­fer­tig­ten die Alten ein unnö­thig theu­res Pota­schlau­gen­salz, indem sie ein Gemisch von glei­chen Thei­len Sal­pe­ter und Holz­koh­len ent­we­der in einem glü­hen­den Schmelz­tie­gel ver­puff­ten, oder auch wohl in eine glü­hen­de, irde­ne Tubu­la­tre­tor­te mit einer wei­ten Vor­la­ge (etwas vor­ge­schla­ge­nes Was­ser in letz­te­rer) tru­gen und in jener das Lau­gen­salz, den soge­nann­ten fixen Sal­pe­ter (alca­li nitri, Nitrum fixum, s. alca­li­sa­tum), in die­ser aber eine schwa­che Sal­pe­ter­säu­re, den soge­nann­ten Sal­pe­terklys­sus (Clys­sus nitri) erhiel­ten. Jenes an der Luft zer­flos­se­ne Lau­gen­salz nann­ten sie Glau­bers Al-kahe­st (Liqu­or nitri fixi).

Ein eben so theu­res Lau­gen­salz ver­fer­tig­ten sie, eben so unnö­thi­ger­wei­se, indem sie ein Gemisch von glei­chen Thei­len Sal­pe­ter und gerei­nig­tem Wein­stei­ne in einem Schmelz­tie­gel durch eine ein­ge­wor­fe­ne glü­hen­de Koh­le ent­zün­de­ten und ver­puff­ten, da sie dann das übrig geblie­be­ne, rei­ne Pota­schlau­gen­salz wei­ßen Fluß (Flu­xus albus, Sal tar­ta­ri extem­po­ra­ne­um) nann­ten.

Eben so such­ten die Alten den Sal­pe­ter durch eine Art Ver­puf­fung mit Schwe­fel, wie sie mein­ten, zu rei­ni­gen, indem sie ein Gemisch von acht Thei­len des erstern und einem Thei­le des letz­tern zu klei­nern Por­tio­nen in einen glü­hen­dem Schmelz­tie­gel tru­gen, und die geflos­se­ne Mas­se mit­telst einer Maschi­ne in klei­nen Kugeln auf ein Blech aus­t­heil­ten, wor­aus die soge­nann­ten Sal­pe­ter­kü­chel­chen (Lapis pru­nell­ae, Sal pru­nell­ae, Nitrum tabu­la­tum, Crystal­lus mine­ra­lis) ent­stun­den, ein Sal­pe­ter mit etwas Vitri­ol wein­stein aus dem zer­setz­ten Schwe­fel gemischt. Daß die­ser in der ent­zünd­li­chen Bräu­ne vor­zugs­wei­se zum Zer­ge­hen in den Mund und in Gur­gel­was­ser genom­men wur­de, statt rei­nen Sal­pe­ters, kann man jenen Zei­ten wohl ver­zei­hen. Macht man sie ja noch, so nimmt man nur 1/​30 Schwe­fel zum Verpuffen.

Bei einer andern alten Mischung, wo man glei­che Thei­le Sal­pe­ter und Schwe­fel zur Mischung nimmt, die man im glü­hen­den Schmelz­tie­gel ver­bren­nen läßt, bleibt wenig Sal­pe­ter übrig, und fast der gan­ze Rest (auch Sal poly­ch­restum Gla­se­rigenannt) ist ein Salz, was nicht son­der­lich vom Vitriol­wein­stein ver­schie­den ist. Man rühm­te es gegen Wech­sel­fie­ber, u.s.w. unge­bühr­li­cher Weise.

Der Sal­pe­ter, vor sich in der Arz­nei ange­wandt, besitzt küh­len­de, Lebens­kraft schwä­chen­de Eigen­schaf­ten, und wird von ver­nünf­ti­gen Aerz­ten bloß gegen rein ent­zünd­li­che Krank­hei­ten mit all­zu gro­ßer Thä-tig­keit der Faser ange­wen­det. In der Was­ser­sucht mit straf­fer Faser hat er sich zuwei­len harn­trei­bend erwie­sen. Ueb­ri­gens sind sei­ne Kräf­te unbe­kannt, weil er unauf­hör­lich gemiß­braucht, mit andern Din­gen ver­mischt, und daher in Absicht sei­ner Eigen­schaf­ten nicht genau beob­ach­tet wird. Durch sei­ne empi­ri­sche tag­täg­li­che Anwen­dung in fast allen Krank­hei­ten sind unzäh­li­ge Men­schen all­mäh­lich dem Tode über­lie­fert, oder doch in lang­wie­ri­ge, schwer­heil­ba­re Krank­hei­ten unver­merkt gestürzt wor­den, durch Schwä­chung des gan­zen Kör­pers über­haupt und der Ver­dau­ungs­we­ge insbesondre.

Am nutz­bars­ten macht sich der Sal­pe­ter durch sei­ne Säu­re, die zu Auf­lö­sung and­rer Sub­stan­zen, beson­ders der Metal­le, zur Berei­tung der ver­süß­ten Säu­re, u.s.w. gebraucht wird. Sie wird zwar in Schei­de­was­ser­bren­ne­rei­en aus dem Sal­pe­ter am gewöhn­lichs­ten durch Zusatz glei­cher Thei­le bis zur Wei­ße gebrann­ten Vitri­ols, oder zwei bis drei Thei­le Kolk­ot­har, auch wohl drei bis vier Thei­le Thon destil­lirt, sie wird auch durch Alaun, Phos­phor­säu­re und wei­ßen Arse­nik aus­ge­trie­ben, aber die vort­heil­haf­tes­te Metho­de bleibt immer die Zer­set­zung mit star­ker Vitri­ol­säu­re. Zu die­ser Absicht wird in einer glä­ser­nen, vor­her wohl erwärm­ten, an ihrem Dache mit einer Tubu­lat­öf­nung und einem glä­ser­nen Stöp­sel (die Zeich­nung unter Destil­la­ti­on) ver­seh­nen Retor­te auf zwei Thei­le gepül­ver­ten, trock­nen, ganz gerei­nig­ten Sal­pe­ters ein Theil soge­nann­tes Vitriol­öl, all­mäh­lich durch die Tubu­lat­öf­nung, unter öfterm Umschüt­teln der Retor­te, ein­ge­gos­sen, so daß sie nur etwas über ein Drit­tel damit ange­füllt wer­de. Die durch die­ses Gemisch sehr erhitz­te Retor­te wird nun in die eben so heiß gemach­te Sand­ka­pel­le ein­ge­setzt, die Vor­la­ge mit ihrer Hülfs­röh­re (die Zeich­nung unter Sal­mi­ak­geist) ange­legt, die Fugen mit gebrann­tem Gyps, mit Was­ser zu Brei ange­rührt und Lein­wand­strei­fen dar­über gebun­den, und die Destil­la­ti­on bei all­mäh­lich bis aufs höchs­te ver­stärk­tem Feu­er voll­führt. Wenn beim stärks­ten Feu­er die Vor­la­ge kalt zu wer­den anfängt, so been­digt man die Destil­la­ti­on, und gießt das Destil­lat schnell in eine trock­ne Fla­sche, deren glä­ser­ner, ein­ge­rie­be­ner Stöp­sel vor der Ver­schlie­ßung in flie­ßen­des wei­ßes Wachs getaucht wor­den ist, damit er des­to genau­er schlie­ße. Dieß ist die rau­chen­de Sal­pe­ter­säu­re (rau­chen­der Sal­pe­ter­geist, Aci­dum Nitri con­cen­tra­tum, Spi­ri­tus Nitri fumans, s. Glau­be­ri) eine braun­gel­be Flüs­sig­keit von meis­tens 1, 500 spe­zi­fi­schem Gewich­te, wel­che begie­rig Feuch­tig­keit aus der Luft anzieht und unauf­hör­lich feu­er­ro­the Dämp­fe, von ersti­cken­dem, eig­nem Geru­che aus­stößt, eine Eigen­schaft, die man ihr benimmt, wenn man aus einer Retor­te etwa den ach­ten Theil unter gelin­dem Sie­den über­de­stil­lirt, da dann eine was­ser­hel­le, nicht weni­ger star­ke Sal­pe­ter­säu­re (Aci­dum nitri dephlo­gi­sti­ca­tum) übrig bleibt, die kei­ne rothen, son­dern eini­ge wei­ße Dämp­fe von sich giebt.

Schlägt man bei Aus­trei­bung der Sal­pe­ter­säu­re in der Vor­la­ge so viel Was­ser vor, als das Gewicht des ange­wen­de­ten Sal­pe­ters beträgt, so lößt sich die über­ge­hen­de Säu­re dar­in auf, und man erhält eine etwa halb so star­ke Säu­re, die gemein­hin Sal­pe­ter­säu­re (Aci­dum Nitri, s. nitro­sum) genannt wird, und unge­fähr mit dem dop­pel­ten Schei­de­was­ser (aqua for­tis duplex) der Labo­ran­ten über­ein­stimmt, wel­ches 1, 281 eigent­hüm­li­ches Gewicht besit­zen soll. Wird die­ses noch­mahls mit glei­chen Thei­len Was­ser ver­dünnt, so ent­steht das gewöhn­li­che (ein­fa­che) Schei­de­was­ser (Aqua for­tis, Spi­ri­tus Nitri, Aci­dum nitri tenue, s. dilu­tum).

Nach die­ser Destil­la­ti­on bleibt als Rest in der Retor­te Vitriol­wein­stein (Potasch­vi­tri­ol­salz) zurück, wel­cher nach die­ser Arbeit vor­züg­lich, wie­wohl unnö­thi­ger Wei­se arca­num dupli­ca­tumgenannt wird und von anhän­gen­der Säu­re durch Pota­schlau­gen­salz befreit und durch Krystal­li­sa­ti­on zu gute gemacht wer­den muß. Das in dem Fläsch­chen, wor­in die Hülfs­röh­re stand, vor­ge­schla­ge­ne Was­ser, ist von der durch­ge­gan­ge­nen Sal­pe­ter­luft zu einer dün­nen Sal­pe­ter­säu­re geworden.

Die auf obi­ge Art destil­lir­te Sal­pe­ter­säu­re ent­hält immer etwas Koch­salz­säu­re (wenn auch der Sal­pe­ter wohl raf­fi­nirt war) und vom Aus­trei­bungs­mit­tel auch mehr oder weni­ger Vitri­ol­säu­re. Um letz­te­re, wenigs­tens in einer star­ken Sal­pe­ter­säu­re aus­zu­for­schen, ist die blo­ße Ein­tröp­fe­lung der sal­pe­ter­sau­ren Schwer­erde, wie man gewöhn­lich vor­schlägt, nicht zurei­chend, da das gro­ße Ueber­maß der Sal­pe­ter­säu­re das etwa ent­stand­ne Baryt­vi­tri­ol­salz (Schwer­spat) beim Umrüh­ren schnell wie­der auf­lößt, wie ich oft erfah­ren habe. Das auf Vitri­ol­säu­re zu prü­fen­de Schei­de­was­ser muß deß­halb mit kaus­ti­schem Sal­mi­ak­geis­te gesät­tigt wer­den, ehe man die sal­pe­ter­sau­re, oder koch­salz­saure Schwer­erde ein­tröp­felt. Hun­dert Thei­le nie­der­ge­fal­le­ner und getrock­ne­ter Schwer­spat bewei­sen 13 Thei­le Vitri­ol­säu­re. Um es auf Koch­salz­säu­re zu prü­fen, tröp­felt man in eine and­re Por­ti­on Sal­pe­ter­säu­re eine Auf­lö­sung des Sil­ber­sal­pe­ters, mit 100 Thei­len Was­ser berei­tet, ein, (bei einer so ver­dünn­ten Auf­lö­sung kann kein Sil­ber­vi­tri­ol nie­der­fal­len und den Prü­fer täu­schen) und so wer­den 100 Thei­le des prä­zi­pi­tir­ten Horn­sil­bers 18 Thei­le Koch­salz­säu­re bewei­sen. Um nun die Sal­pe­ter­säu­re von bei­den zu befrei­en, gie­bt es mei­nes Wis­sens kei­nen bes­sern Weg, als alle Koch­salz­säu­re zuerst zu til­gen, und des­halb eine Auf­lö­sung des krystal­li­sir­ten Sil­ber­sal­pe­ters so lan­ge ein­zu­tröp­feln, bis kein Nie­der­schlag mehr erscheint, dann zu der vom Boden­sat­ze abge­gos­se­nen Sal­pe­ter­säu­re noch so viel sal­pe­ter­sau­re Schwer­erde hin­zu­zu­fü­gen, als zur Zer­set­zung der nach oben ange­geb­ner Prü­fung erforsch­ten Men­ge Vitri­ol­säu­re dar­in zureicht (und noch mehr) wor­auf man den etwa ent­stan­de­nen Boden­satz davon abson­dert, und die Sal­pe­ter­säu­re vor sich noch­mahls über­treibt. Dann ist es zwie­fach gefäll­te Sal­pe­ter­säu­re (Aci­dum nitri puris­si­mum) statt daß sich der Pro­bi­rer der edeln Metal­le mit der Befrei­ung von der Koch­salz­säu­re durch Ein­tröp­fe­lung der Sil­ber­auf­lö­sung und noch­mah­li­ge Ueber­trei­bung der Säu­re begnügt, die dann (ein­mahl) gefäll­tes Schei­de­was­ser (aqua for­tis prae­ci­pi­ta­ta) genannt wird.

Die nicht nur von Koch­salz son­dern auch Vitri­ol­säu­re befrei­te Sal­pe­ter­säu­re ist nicht nur zu eini­gen phar­ma­zeu­ti­schen Zwe­cken, vor­züg­lich zur Berei­tung des auf lös­li­chen Queck­sil­bers, son­dern auch zu vie­len che­mi­schen Prü­fun­gen theils dien­lich, theils erforderlich.

Die freie Sal­pe­ter­säu­re ist in bös­ar­ti­gen Ner­ven­fie­bern, unter viel Getränk gemischt von Eini­gen mit Nut­zen gebraucht, und auch als harn­trei­ben­des Mit­tel dien­lich befun­den worden.

Mit Wein­geist ver­bun­den bil­det die Sal­pe­ter­säu­re eine Mit­tel­flüs­sig­keit, dem Sal­pe­ter­äther (Sal­pe­ter­naph­ta, Naph­tha, s. Aether Nitri) eine stroh­gel­be, nach Borstor­fer Aep­feln sehr ange­nehm rie­chen­de Flüs­sig­keit von 0, 760 eigent­hüm­li­chem Gewich­te, wel­che an der Luft eine Men­ge Gas ent­wi­ckelt und gleich­sam auf­brau­set, mit hel­ler, gel­ber Far­be unter Hin­ter­las­sung eines Rußes ver­brennt, und einen feu­ri­gen bit­ter­li­chen Geschmack besitzt.

Zu sei­ner Berei­tung ist es sehr schwer und fast unmög­lich, eine Vor­rich­tung anzu­ge­ben, die nicht gro­ßer Gefahr durch Zer­plat­zung der Gefä­ße und Beschä­di­gung der Gesund­heit unter­wor­fen wäre, da selbst die Auf­be­wah­rung des schon fer­ti­gen Sal­pe­ter­äthers und sei­ne Dis­pen­si­rung nicht unbe­trächt­li­cher Gefahr aus­ge­setzt ist.

Die größ­te Gefahr liegt in der Mischung der Säu­re mit dem Wein­geis­te, in der Wär­me bei der Destil­la­ti­on, und in frei­er im fer­ti­gen Aether noch zurück­ge­blie­be­nen oder von neu­em ent­wi­ckel­ten Säure.

Nie neh­me man die Berei­tung außer im Win­ter bei star­ker Frost­käl­te vor.

Man macht eine Vor­rich­tung, daß aus einer Fla­sche mit vier Unzen rau­chen­der Sal­pe­ter­säu­re nur etwa alle vier Sekun­den ein Trop­fen oder alle Minu­ten 15 Trop­fen fal­len (etwa mit­telst eines ein­ge­häng­ten, he-ber­for­mi­gen glä­ser­nen Haar­röhr­chens) und lei­tet die­ses Tröp­feln in die ein­ge­schlif­fe­ne Tubu­lat­öf­nung einer Retor­te, deren Mün­dung ver­stopft ist und deren Bauch mit zwölf Unzen des stärks­ten Wein­geis­tes ange­füllt ist und in Schnee ein­ge­gra­ben steht. Man schüt­telt die Retor­te alle hal­be Stun­den ein­mahl um, läßt, wenn das Ein­tröp­feln und Schüt­teln vor­über ist, das Gemisch noch vier und zwan­zig Stun­den in Schnee oder Schnee­was­ser ste­hen, setzt dann die Retor­te in die Sand­ka­pel­le des Lam­pen­ofens (Oefen) ein, legt das Vor­la­ge­ge­räth mit der Hülfs­röh­re (die Zeich­nung unter Sal­mi­ak­geist) an den Schna­bel der Retor­te, des­sen Fuge mit nas­ser Bla­se ver­bun­den wird, und destil­lirt mit einem oder etli­chen ange­zün­de­ten Doch­ten, bei so gelin­der Wär­me (anfangs etwa 90° Fahr. end­lich 110°), daß man sich zwölf Stun­den Zeit zur Ueber­trei­bung unge­fähr eines Vier­tels der gan­zen Mischung, nimmt. Die­ses Destil­lat von kaum vier Unzen wird mit zwei Quent­chen tar­ta­ri­sir­tem Wein­stein, in zwei Quent­chen Was­ser auf­gelößt, wohl geschüt­telt, und die nach dem Abset­zen hel­le gewor­de­ne Naph­tha, ohne noch­mah­li­ges Ueber­trei­ben, von der dar­un­ter ste­hen­den Salz­flüs­sig­keit, als rein, auf Unzen­glä­ser gefüllt, deren ein­ge­schliff­ner glä­ser­ner Stöp­sel in zer­schmolz­nes wei­ßes Wachs (mit etwas Man­del­öl gemischt) getaucht wor­den; man hebt sie im Kel­ler auf.

Die mit dem Res­te in der Retor­te fort­ge­setz­te Destil­la­ti­on, bis das über­ge­hen­de sau­er zu schme­cken anfängt, ist guter ver­süß­ter Sal­pe­ter­geist (Spi­ri­tus Nitri dul­cis, s. aethe­reus nitro­sus, s. nitro­sus vino-sus, Aci­dum Nitri dul­ci­fi­ca­tum, s. vino­sum) den man auch gera­de­zu ver­fer­tigt, indem man eine Unze rau­chen­de Sal­pe­ter­säu­re mit obi­ger Vor­sicht trop­fen­wei­se in die mit zwölf Unzen Wein­geis­t­al­ko­hol gela­de­ne Retor­te fal­len, die Mischung ein Paar Tage ver­stopft ste­hen läßt, und bei schwa­chem Lam­pen­feu­er die Destil­la­ti­on bis auf einen Rück­stand von einem Ach­tel been­digt. Merkt man freie Säu­re an ihm (wenn er die Lak­mustink­tur roth, die Gua­jakt­ink­tur blau färbt, mit Pota­sch­auf­lö­sung braust u.s.w.) so wird er mit einem klei­nen Thei­le ober­wähn­ter Auf­lö­sung von tar­ta­ri­sir­tem Wein­stein geschüt­telt, und, von dem dar­un­ter ste­hen­den Sat­ze rein abge­gos­sen, eben­falls in klei­nen Glä­sern ver­wahrt, weil die öfte­re Oef­nung eines grö­ßern Gla­ses gar bald freie Säu­re dar­in entwickelt.

Bei andern Ent­säu­rungs­mit­teln muß die Naph­the so wie der ver­süß­te Sal­pe­ter­geist noch­mahls über­ge­trie­ben wer­den, wel­ches die Arbeit, den Ver­lust und die Gefahr erneu­ert. Nach dem Schüt­teln mit auf­gelöß­tem tar­ta­ri­sir­tem Wein­stei­ne aber, nimmt die­ser wie­der sei­nen Stand unter der Naph­the oder dem ver­süß­ten Geis­te ein, man sieht ihn deut­lich als eine dick­li­che­re, obgleich eben so hel­le Feuch­tig­keit unter der Naph­the oder dem ver­süß­ten Geis­te schwim­men, und der mit der Säu­re ent­stand­ne, in die­sen Geis­tern eben­falls unauf­lös­li­che Sal­pe­ter ist mit dem prä­zi­pi­tir­ten Wein­stein­rah­me am Boden ver­ei­nigt; es bleibt wenig oder nichts von dem Zusat­ze mit den Geis­tern ver­ei­nigt, sie sind als rein anzu­se­hen. Man hat bloß die Vor­sicht nöthig, die Naph­the oder die ver­süß­te Sal­pe­ter­säu­re von der dar­un­ter ste­hen­den dick­li­chen Salz­flüs­sig­keit behut­sam abzu­gie­ßen, daß sie mit dem Boden­sat­ze zurück blei­be, und nicht unnö­thi­ger­wei­se unter die Geis­ter kom­me. Die zur Ent­säu­rung gebräuch­li­che Pota­schlau­gen­salz­auf­lö­sung erregt Brau­sen, wobei viel Naph­the verl­oh­ren geht, und das Kalk­was­ser muß, wenn es ent­säu­ren soll, in eini­ger Men­ge zuge­gos­sen wer­den, wobei viel Naph­the von ihm auf­gelößt wird.

Der kleb­ri­ge Rück­stand von die­ser Destil­la­ti­on läßt sich durch Kochen mit fri­schem Sal­pe­ter­geis­te in Sau­er­klee­salz­säu­re umändern.

Außer jenen und ähn­li­chen Berei­tun­gen der Sal­pe-ter­naph­the durch Destil­la­ti­on hat­te man zwar schon seit 1742 die von selbst erfol­gen­de Abson­de­rung die­ser Naph­the von Gemi­schen aus star­ker Sal­pe­ter­säu­re und Wein­geist wahr­ge­nom­men, und sie auf die­se Art durch blo­ße mecha­ni­sche Abson­de­rung ohne Destil­la­ti­on zu gewin­nen ver­sucht, das Unter­neh­men blieb aber wegen der unbe­hut­sa­men Ver­mi­schung der Säu­re mit dem Wein­geis­te sehr gefahr­voll, bis Black (etwa im Jah­re 1777 oder 1778) den Wein­geist über die Säu­re der­ge­stalt brach­te, daß bei­de ein­an­der Anfangs nicht berühr­ten, son­dern nur nach und nach auf ein­an­der ein­wirk­ten; eine gefahr­lo­se, obgleich nicht sehr ergie­bi­ge Ver­fer­ti­gungs­art der Naph­the. Man stellt sie bloß in der Win­ter­käl­te, und sonst zu kei­ner andern Jahrs­zeit an; dieß ist ein Haupt­um­stand, da eine nur im Mai vor­ge­nom­me­ne Berei­tung schon einen Ver­lust fast der gan­zen, bei einem Ansat­ze von nicht völ­lig sie­ben Unzen Wein­geist, drei Unzen betra­gen­den Men­ge Aether zur Fol­ge gehabt hat.

Man befes­ti­ge etwas Schwe­res, etwa Blei, äußer­lich am Boden einer schma­len, lan­gen star­ken Fla­sche mit ein­ge­rie­be­nem Stöp­sel, wel­che etwa funfzehn Unzen Was­ser fas­sen kann, in die­se gie­ße man mit­telst eines glä­ser­nen Trich­ters oder einer neu­en Tabaks­pfei­fe drei Unzen rau­chen­de Sal­pe­ter­säu­re, damit nichts davon an die obern Wän­de kom­me, set­ze die Fla­sche in ein wei­tes Gefäß mit Eis und Schnee­was­ser, die Fla­sche recht kalt zu erhal­ten, und sor­ge dafür, daß immer genug Eis und Schnee zur Abkäl-tung wäh­rend der gan­zen Berei­tung in dem Gefä­ße vor­han­den sei. Nun las­se man durch die oben ange­ge­be­ne Vor­rich­tung auf den Rand der Fla­sche all­mäh­lich eini­ges Was­ser trop­fen­wei­se (etwa alle Sekun­den einen Trop­fen) fal­len (wel­ches dann an den innern Wän­den der Fla­sche lang­sam her­ab­rinnt, und sei­ne Stel­le über der Säu­re ein­nimmt, ohne letz­te­re in Bewe­gung zu set­zen, oder sich mit ihr zu ver­mi­schen) so viel, daß die Ober­flä­che der Säu­re von dem Was­ser völ­lig bedeckt wird. Es wird kaum eine Unze Was­ser nöthig seyn, wenn die Fla­sche enge und hoch ist. Ist die­ses gesche­hen, und das Was­ser über der Säu­re wie­der erkal­tet, so läßt man wie­der­um durch eine ähn­li­che Vor­rich­tung, wie die oben ange­ge­be­ne, fünf­te­halb Unzen Wein­geis­t­al­ko­hol der­ge­stalt auf den Rand der Fla­sche tröp­feln, daß unge­fähr alle Sekun­den ein Trop­fen an der innern Wand der Fla­sche her­ab­glei­te. In nicht völ­lig einer Stun­de ist der Alko­hol ein­ge­füllt und steht sicht­bar abge­son­dert über dem Was­ser. Man ver­stopft nun die Fla­sche mit ihrem ein­ge­rie­be­nen Stöp­sel, und läßt sie ganz unbe­wegt ste­hen. Nach eini­ger Zeit wird die Far­be der Sal­pe­ter­säu­re blau­grün, sie schickt meh­re­re Bläs­chen durch das Was­ser und den Wein­geist auf­wärts, über dem Was­ser sam­melt sich eine flo­ckich­te Mate­rie, der Wein­geist wird gelb­licht trü­be, es erscheint Naph­the über dem Wein­geis­te, die Säu­re ver­liert dann ihre Far­be, ist nicht mehr vom Was­ser zu unter­schei­den, bei­de sind trü­be, bis sie sich all­mäh­lich auf­hel­len. Sind bei­de hell, durch­sich­tig und farbelos, so wird die Naph­the in einem Schei­de­trich­ter abge­füllt, aus die­sem, abge­son­dert, in eine Fla­sche gelas­sen, wor­in sich zwei Quent­chen tar­ta­ri­sirter Wein­stein in zwei Quent­chen Was­ser auf­gelößt befin­den, wohl damit geschüt­telt, dann wie­der­um von die­ser Salz­flüs­sig­keit geschie­den, und, wie oben ange­ge­ben, in klei­nen Fla­schen im Kel­ler ver­wahrt. Drei bis vier­te­halb Unzen Sal­pe­ter­äther ist der höchs­te Betrag von die­sem Ein­sat­ze; oft ist er weit gerin­ger. Am bes­ten ist es, wenn der gan­ze Vor­gang nicht unter vier und nicht über fünf Tage dau­ert. Die rück­stän­di­ge Säu­re, noch mit Aether­t­hei­len ange­füllt, kann, mit 18 Unzen Wein­geist ver­mischt, wie­der zur Destil­la­ti­on des ver­süß­ten Sal­pe­ter­geis­tes ange­wen­det werden.

Man pflegt zwar über die drei Unzen rau­chen­de Sal­pe­ter­säu­re bei die­ser Berei­tung so viel Was­ser zu set­zen, daß letz­te­res einen eben so hohen Raum in der Fla­sche ein­neh­me, als die Sal­pe­ter­säu­re, gewöhn­lich zwei Unzen Was­ser. Dieß ist aber, wenn man bei Frost­käl­te arbei­tet, zu viel, es geht all­zu­viel Zeit dar­über hin, ehe die völ­li­ge Ver­ei­ni­gung der Säu­re mit dem Wein­geis­te erfolgt, in wel­cher Zeit (oft 8 bis 10 Tage) viel Naph­the ver­lo­ren geht, der Ver­dün­nung des Wein­geis­tes und der Säu­re nicht ein­mahl zu geden­ken. Bei einer wär­mern Wit­te­rung aber, und ohne Eis, vor­züg­lich aber wenn das Was­ser nicht so all­mäh­lich, wie oben beschrie­ben, auf die Säu­re gebracht wird, erhit­zen sich bei­de der­ge­stalt mit ein­an­der, daß auch die­se gro­ße Men­ge Was­ser nicht hin­rei­chend ist, einen hit­zi­gen Ein­griff der Säu­re auf den Wein­geist zu ver­hü­ten, wodurch gewöhn­lich aller Aether in die Luft gejagt wird. Unter sol­chen Umstän­den ver­hin­dert auch eine so gro­ße Men­ge Was­ser den übeln Aus­gang nicht, unter jenen Umstän­den aber, bei einer lan­gen engen Fla­sche, bei unmerk­li­cher Auf­tra­gung der leich­tern Flüs­sig­kei­ten, und bei hin­rei­chen­der Frost­käl­te, erfüllt weni­ger als halb so viel Was­ser alle erwünsch­te Absicht voll­kom­men. Der ers­te Erfin­der, Black, nahm nur so viel Was­ser, daß die Säu­re damit bedeckt wurde.

Da wenig Apo­the­ker bis jetzt mit gutem Sal­pe­ter­äther ver­se­hen gewe­sen sind, so hat man noch nicht hin­rei­chen­de arz­nei­li­che Erfah­run­gen mit ihm anstel­len, oder sei­ne Ver­schie­den­heit vom Vitriol­äther wahr­neh­men kön­nen. Indeß weiß man, daß er nebst dem ver­süß­ten Sal­pe­ter­geis­te erqui­cken­de und beru­hi­gen­de Kräf­te äußert. In Koli­ken von hys­te­ri­scher und arthri­ti­scher Ursa­che, so wie in andern Krämp­fen, in Schlag­flüs­sen, und im Ner­ven­fie­ber, und als harn­trei­ben­des Mit­tel hat man, wenigs­tens den ver­süß­ten Sal­pe­ter­geist gerühmt, wel­cher auch, wenn er kräf­tig berei­tet wor­den, in der Arz­nei füg­lich statt des Sal­pe­ter­äthers ange­wen­det wer­den könn­te, wenigs­tens soll­te man letz­te­ren mit glei­chen Thei­len Wein­geist gemischt in Apo­the­ken auf­zu­be­wah­ren erlau­ben, statt des unver­misch­ten, um den Apo­the­ker der Gefahr wenigs­tens beim Dis­pen­si­ren zu überheben.