Sauertamarinde

Hahnemanns Apothekerlexikon
vorheriges KapitelZurückInhaltsverzeichnisWeiternächstes Kapitel

Sau­er­ta­ma­rin­de, Tamarin­dus indi­ca L. [Zorn, pl. med. tab. 291] ein hoher, schat­ti­ger Baum in Ost­in­di­en wie in Westindien.

Die fin­ger­lan­gen Früch­te (Tama­rin­di), Fruc­tus tama­rin­dorum, oder Scho­ten sind dick, etwas zusam­men­ge­drückt, mit kno­ti­gen Erha­ben­hei­ten in der Gegend, wo inwen­dig die Samen lie­gen, und ent­hal­ten inner­halb einer ziem­lich glat­ten, äus­ser­lich grau­bräun­li­chen, dün­nen zer­brech­li­chen Scha­le eini­ge Zel­len, nicht völ­lig mit einem dick­li­chen, schwärz­lich­ten, ange­nehm säu­er­li­chen Mar­ke ange­füllt, wel­ches mit Häu­ten und hol­zi­gen Fasern durch­webt ist und ein­zel­ne, vier­kan­ti­ge Samen­ker­ne einschließt.

Die Scho­ten des ost­in­di­schen Baums sind län­ger, von sechs bis sie­ben Ker­nen und mit einem häu­fi­gern, trock­nern, schwär­zern sau­rern Mar­ke ange­füllt als die aus West­in­di­en, (obgleich die west­in­di­schen Bäu­me von Ost­in­di­en abstam­men) deren klei­ne­re Scho­ten höchs­tens 3 bis 4 Ker­ne ent­hal­ten, und nicht so voll von Mar­ke sind, wel­ches auch feuch­ter, hell­fär­bi­ger und süßer (ver­muth­lich mit Zucker ver­mischt) ist.

Wir erhal­ten es nicht in sei­nen Hül­sen, weder aus Ost- noch aus West­in­di­en, son­dern blos das Mark in Fäs­sern ein­ge­schla­gen, mit Fasern, Häu­ten und Samen ver­mischt. Es ist eine Art Pul­pe wie das Pflau­men­muß, nur daß das Tama­rin­den­mark (Pul­pa Tama­rin­dorum cru­da) im Pfun­de noch drei Quent­chen Wein­stein­rahm, etwa eine Unze wesent­li­che Wein­stein­säu­re und noch Zucker­sub­stanz ent­hält, eine süß­licht sau­re, schlei­mi­ge Sub­stanz; von wein­ar­ti­gem Geru­che. Es wird vor dem Gebrau­che durch Auf­lö­sung mit wenig war­mem Was­ser, und Durch­drü­cken durch ein Haar­sieb gerei­nigt, und wenn es auf­ge­ho­ben wer­den soll, nach Ver­set­zung mit glei­chen Thei­len Zucker in irde­nen oder glä­ser­nen Geschir­ren ein­ge­dickt, (Pul­pa tama­rin­dorum pura). Das ost­in­di­sche Tama­rin­den­mark hält sich so roh, wie es ist, eine lan­ge Zeit; das wäß­ri­ge­re ame­ri­ka­ni­sche aber ver­langt jene Ver­set­zung mit Zucker, wenn es nicht ver­der­ben, gäh­ren oder schim­meln soll.

Mehr als ein Beob­ach­ter hat das Tama­rin­den­mark mit Kup­fer geschwän­gert gefun­den, wel­ches wohl von der Ein­wei­chung und Durch­ar­bei­tung der zer­quetsch­ten Tama­rin­den­scho­ten in kup­fer­nen Geschir­ren her­rüh­ren kann, wie man ver­si­chert. Die­se Kup­fer­bei­mi­schung läßt Gefahr von die­ser Dro­gue beim arz­nei­li­chen Gebrau­che befürch­ten, so lan­ge der Apo­the­ker sich nicht durch che­mi­sche Prü­fung fest über­zeugt, daß in sei­nem Tama­rin­den­mar­ke kein sol­ches Metall befind­lich sei. All­ge­mein schreibt man zu die­ser Prü­fung vor, »daß man eine blank­ge­scheu­er­te Mes­ser­klin­ge in eine sie­den­de Tama­rin­den­auf­lö­sung legen, nach einer Vier­tel­stun­de die Klin­ge in rei­nem Was­ser abspüh­len (nicht mit einem Lap­pen abwi­schen) und sehen sol­le, ob sie mit einer kupf­ri­gen Haut über­zo­gen sei, wel­che blau erschei­nen wer­de, wenn sie mit ein Paar Trop­fen Sal­mi­ak­geist genetzt wor­den.« Die­se Pro­be ist aber ganz unsi­cher und falsch, da sich aus einer über­sau­ern Metall­auf­lö­sung kein Metall durch ein and­res nie­der­schla­gen läßt, ehe nicht jene über­schüs­si­ge Säu­re getil­get wor­den. Wem die­ses Axi­om nicht ein­leuch­tet, der neh­me acht Unzen von einer rei­nen, künst­lich aus Pflau­men­mus, Wein­stein und Wein­stein­säu­re in oben ange­geb­nem Ver­hält­nis­se zusam­men­ge­setz­ten tama­rind­ähn­li­chen Sub­stanz, oder rei­nes, nach unten fol­gen­der Prü­fung für ganz kup­fer­frei erkann­tes Tama­rin­den­mark, mische innig eine Auf­lö­sung von einem Skru­pel Kup­fer­vi­tri­ol dar­un­ter, löse das Gemisch in sechs­zehn Unzen Was­ser durch Kochen in einer glä­ser­nen Scha­le, oder einem irde­nen Top­fe auf, lege dann eine blan­ke Mes­ser­klin­ge ein, koche es eine Vier­tel­stun­de lang und sehe zu, wenn man sie abge­spühlt hat, ob sie einen Kup­fer­an­flug zeigt. Man wird kei­nen finden.

Zuver­läs­sig aber ist die Pro­be, wenn man vier Unzen rohes Tama­rin­den­mark auf einem fla­chen Scher­ben ver­brennt, und die Koh­le unter Umrüh­ren so lan­ge glü­het, bis sie zur fei­nen Asche zer­fal­len ist (etwa 11/​4 Quent­chen an Gewich­te), die man in einem läng­lich­ten wei­ßen Arz­nei­fläsch­chen mit einer Unze mil­dem Sal­mi­ak­geis­te schüt­telt und eine Stun­de damit ste­hen läßt. Bleibt der Sal­mi­ak­geist farbelos, so ist man über­zeugt, daß die Tama­rin­den kein Kup­fer ent­hiel­ten, wel­ches, wäre auch nur eine Klei­nig­keit davon in der Asche gewe­sen, den Sal­mi­ak­geist blau gefärbt haben würde.

Eben so unt­hu­lich als obi­ge Pro­be ist der durch­gän­gi­ge Rath der Schrift­stel­ler, die kup­fer­hal­tig befun­de­nen Tama­rin­den so zu rei­ni­gen, »daß man das in Was­ser auf­ge­lös­te Tama­rin­den­mark so lan­ge in einem zin­ner­nen Kes­sel koche und mit einem blan­ken eiser­nen Spa­tel umrüh­re, als letz­te­rer noch, nach mehr-mah­li­gem Abscheu­ren, über­kup­fert werde.

Er wird sich aller­dings über­kup­fern, so bald alle über­schü­ßi­ge Säu­re vom Eisen gesät­tigt wor­den, dann aber wird er nicht eher auf­hö­ren sich zu über­kup­fern, als noch eini­ges Kup­fer dar­in vor­han­den ist, das ist, so lan­ge, bis das gan­ze Tama­rin­den­mark zum völ­li­gen Eisen- und Zinn­sal­ze gewor­den ist; gewiß ein unbrauch­ba­res Pro­dukt und nichts weni­ger als gerei­nig­tes Tama­rin­den­mark. Denn auch das Zinn des Kes­sels über­kup­fert sich beim Kochen eines kup­fer­hal­ti­gen Tama­rin­den­marks, und es bleibt Zinn auf­gelößt; man müß­te denn durch das fer­ne­re Umrüh­ren mit dem eiser­nen Spa­tel zulezt auch das Zinn wie­der ver­trei­ben, da dann alles zum wein­st­ein­sauren Eisen wird, und kein Andenken von Tama­rin­den­mark mehr ist.

Die­ser wah­re Vor­gang der Sache, und die­se Nich­tig­keit jenes Rathes zeigt, daß es unmög­lich sei, durch irgend eine Vor­keh­rung Tama­rin­den­mark vom Kup­fer der­ge­stalt zu befrei­en, daß es rein wer­de und nicht alle sei­ne Säu­re ver­lie­re. Es muß eben so wohl weg­ge­wor­fen wer­den, als das schimm­lich­te oder sonst verdorbene.

Das rei­ne Tama­rin­den­mark ist zu einer Unze mehr oder weni­ger auf die Gabe für Erwach­se­ne eine ange­neh­me küh­len­de Laxanz, die man, viel­leicht nur theo­re­tisch, vor­züg­lich gegen Gal­len­fie­ber und Ruhr bestimmt. In eini­gen Arten von Was­ser­sucht ist es dien­lich gewe­sen. Es soll die abfüh­ren­den Kräf­te der Man­na und Kas­sie verstärken.