Schwarzbilsen

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Schwarz­bil­sen, Hyos­cya­mus niger, L. [Zorn, pl. med. tab. 84] mit sten­gel­um­fas­sen­den, aus­ge­schweif­ten Blät­tern, und stiel­lo­sen Blu­men, ein zwei Fuß hohes Kraut mit zwei­jäh­ri­ger Wur­zel an Wegen, auf ehe­mah­li­gen Mists­tä­ten und sal­pe­ter­er­di­gen, stei­len Acke­ru­fern, wel­ches im Juny blüht.

Das kleb­ri­ge, haa­ri­ge Kraut (Folia Hyos­cya­mi) ist von betäu­ben­dem, ran­zicht stin­ken­dem Geru­che und schlei­mi­cht fadem Geschma­cke. Es ist von sehr hef­ti­ger Wir­kung. Es bringt wachen­de Schlaf­trun­ken­heit, Stumpf­sin­nig­keit, ver­wirr­tes Gesicht, Schwin­del, ka-talep­ti­sche Ohn­mach­ten, dann unru­hi­ges Hin- und Her­be­we­gen, Kon­vul­sio­nen, Kopf­weh, Bauch­knei­pen, Rase­rei, Blut­stür­ze und meh­re­re and­re gefähr­li­che Wir­kun­gen her­vor, und hat in sehr klei­ner Gabe (nach mei­ner Art zu 1/​60 bis 1/​30 eines Grans des Dick­saf­tes in Auf­lö­sung gege­ben) Schlaf­lo­sig­keit, eini­ge Arten von Wahn­sinn, Pare­sis, Eklamp­sie, und Blut­stür­ze unter mei­nen und And­rer Augen geho­ben. In vie­len Fäl­len ist es kura­tiv Schlaf brin­gend, wäh­rend der Mohn­saft es nur pal­lia­tiv ist; es eröf­net eher den Leib, als daß es ihn stop­fen soll­te. In der Blei­ko­lik und der Ruhr, die selbst eine Art Lei­bes­ver­stop­fung ist, soll es sich hülf­rei­cher als der Mohn­saft erwie­sen haben. Doch ist die neue­re Mode, alle Gat­tun­gen von Schmerz damit stil­len zu wol­len, nicht weit von Quack­sal­be­rei ent­fernt. Indes­sen hebt es gewis­se Arten von chro­ni­schem Kopf­weh fast spe­zi­fisch. In eini­gen Arten von soge­nann­ter Ner­ven­schwä­che bei schlaf­fer, kal­ter Kör­per­be­schaf­fen­heit erwei­set sich sein anhal­ten­der Gebrauch als das sichers­te Stärkungsmittel.

Die wei­ße, ähn­lich schme­cken­de Wur­zel (Rad. Hyos­cya­mi) ist von ähn­li­cher, nur stär­ke­rer Wir­kung als das Kraut, und die klei­nen, rund­li­chen, asch­farb­nen Samen (Sem. Hyos­cya­mi nigri) haben nicht weni­ger Kraft. Von lez­term so wie vom trock­nen Krau­te den Rauch in den Mund zie­hen zu las­sen, um Zahn­schmer­zen zu ver­trei­ben, ist ein unver­nünf­ti­ges Ver­fah­ren. Man hat die schreck­lichs­ten Zufäl­le davon ent­ste­hen sehen. Sonst ist der äuße­re Gebrauch der frisch zer­quetsch­ten Blät­ter auf schmerz­haf­te, har­te und ent­zün­de­te Geschwüls­te nicht sel­ten von gutem Erfol­ge gewesen.

Man soll durch die Aus­pres­sung ein Oel (Ol. Hyos­cya­mi expres­sum) von 0, 913 Schwe­re, von fadem Geru­che und von den Kräf­ten des Krau­tes erhal­ten; man sagt uns aber nicht, wie wenig. Die gesto­ße­nen Samen mit Baum­öl zu mischen, und aus­zu­pres­sen, ist ein unzu­lä­ßi­ger, obgleich häu­fi­ger Betrug.

Ueber­haupt ist der Schwarz­bil­sen stär­ker an Kräf­ten als der Weiß­bil­sen, w.s. und bei­der ein­zi­ges mir bekann­tes Gegen­gift ist, Wein­essig in gro­ßer Men­ge getrun­ken; doch ver­su­che man vor­her, wenn es Kraut, Wur­zel oder Samen gewe­sen, den größ­ten Theil davon erst (oder bei­zu) durch Erbre­chen fortzuschaffen.

Der Dick­saft aus dem im ers­ten Jah­re oder doch vor der Blü­he­zeit im zwei­ten Jah­re gesam­mel­ten Krau­te muß mög­lichst ohne Feu­er an blo­ßer Luft oder doch in der Wärm­stu­be ein­ge­trock­net wer­den, wenn er in klei­ner Gabe die mög­lichst größ­te Wir­kung haben soll. Der über Feu­er, wie gewöhn­lich, ein­ge­koch­te ist ein wohl hun­dert­mahl unkräf­ti­ge­res Sudelprodukt.