Die Wegwarte (Cichorium intybus) macht ihrem Namen alle Ehre: Besonders zur Blütezeit Ende Juni bis in den September hinein, ist sie an Wegen aller Art gut zu bewundern. Denn sie „wartet“ und blüht sowohl an großen Autobahnen und Landstraßen, wie auch an kleineren oder größeren Spazier- oder Fahrradwegen. Dabei kann der Eindruck entstehen, dass sie Menschen auf ihren Wegen begleitet. Ihre blauen Blüten sind wunderhübsch und leuchten weithin. Allerdings lohnt es nicht, sie für einen Blumenstrauß zu pflücken, denn die Blüten blühen nur für ein paar Stunden. Dafür bildet die Heilpflanze jedoch täglich sehr viele Blüten aufs Neue aus, so dass sie den Menschen mit ihrer Blütenpracht ständig Freude bereiten und damit auch „den Weg weisen“ kann.
Bewährte Heilpflanze: Wegwarte
Die gewöhnliche Wegwarte oder auch wilde Zichorie gehört zu den alten und bewährten Heilpflanzen. Sie wächst in Europa, Vorderasien bis zum Iran, Nord- und Südafrika, im gesamten Amerika, Australien und Neuseeland bis in Höhen zu 900 Metern. Am häufigsten ist sie im Mittelmeerraum anzutreffen. Ihre Nutzung ist seit dem Altertum bekannt. Vom griechischen Arzt Dioskurides (1. Jahrh. nach Christus), der das bedeutendste medizinische Werk der Antike verfasste (Des Pedanios Dioskurides) [1], sind die damaligen Anwendungen schriftlich niedergelegt: Er beschrieb die Wegwarte als zusammenziehend, kühlend und als wichtiges Mittel für den Magen. Die wilden Formen der Wegwarte empfahl Dioskurides als Arznei zur Anregung von Appetit und Verdauung oder zur Behandlung von Durchfall. Auch als äußerliche angewandte Brei-Umschläge kam die Wegwarte bei ihm zum Einsatz: Bei Herzleiden, Podagra (Gicht) oder Augenentzündungen.
Auch andere Heilkundige beschäftigten sich mit der Wegwarte: Pietro Andrea Mattioli, lat. Matthiolus (1501–1577) oder Albrecht von Haller (1708–1777) schätzten sie als Leber- und Gallenmittel. Henri Leclerc (1870–1955) verordnete die Heilpflanze, dessen „bitteres, reizendes Tonicum“, das er als großes Stomachikum (verdauungsanregendes Mittel) sehr schätzte. Es gibt noch viele andere Anwendungen wie als Gurgelmittel bei Halsleiden, als harntreibende und ausführende Arznei, Skorbut oder Hautleiden [2].
Die sehr breit gefächerten Anwendungsbeschreibungen aus Antike und Altertum gelangten über die Erfahrungsheilkunde und über die Beschreibungen in Kräuterbüchern ins Mittelalter. Auch Hieronymos Bock (1498–1554) bezog sich noch auf Diokurides und notiert das Wissen seiner Zeit wie folgt:
In hand voll Wegwart (sagt Dioscorides) in wasser gesotten und gedruncken
fürt auß die gallen und weissen schleim durch den stulgang. Der Samen zerstossen und mit wein gedruncken
Ehe das Feber den menschen anstoßt
soll dadurch verdriben/
und mit der zeit gewendet werden. Ein decoction gemacht auß dem kraut und wurtzel mit wein oder wasser/und warm gedruncken
eröffnet die Leber und Miltz
soll genützt werden im anfang der wassersucht und Cachexia. Solchs vermag auch ds gebrantwasser
und ist trefflich gut zu dem hitzigen magen
zu allen brennenden Febern
und schwachheit des Hertzens gedruncken. … Das ausgedruckt safft mit wein gekocht
oder für sich selbst eingenommen
stillet den bauchfluß
und seid bede Wegwart in irer jugent dienstlich zu der speiß
denn die helffen der dawung und eröffnen alle verstopfung der lebern und miltz [3].
Im 19. Jahrhundert war die Wegwarte ebenfalls beliebt: Der Kräuterpfarrer und „Abhärtungsapostel“ Sebastian Kneipp (1821–1897) befand die Wegwarte als so wichtig, dass er sie in seinen Empfehlungen für die „Kleine Hausapotheke“ [4] aufnahm: Dies waren Empfehlungen für Heilpflanzen, die aufgrund ihrer Bedeutung seiner Meinung nach in jeden Haushalt gehörten. Die Wegwarte sei, so schrieb Kneipp, sowohl in Form von Tinktur als auch Tee zu bevorraten. Sein Schweizer Zeitgenosse Johann Künzle (1857–1945) empfahl „zu Medizinen ist jedoch die wilde Wegwarte stärker als die zahme. Sie ist heilkräftig in allen Teilen. Sie reinigt Magen, Leber und Nieren, treibt den Urin, ist sehr gut bei Fiebern, vertreibt überflüssige Galle, heilt die Gelbsucht und stillt das Blutspeien“ [5].
Botanisches:
Die Wegwarte (Cichorium intybus) oder Zichorie gehört zur Familie der Korbblütler (Asteraceae oder Compositae). In der Botanik sind neun Zichorien-Arten bekannt, die jedoch nicht weiter unterteilt werden. Zichorien sind ein- oder mehrjährige krautige Pflanzen. Sie schätzen schweren, lehmigen Boden, kommen jedoch auch hervorragend mit magerem Untergrund zurecht. Zichorien können bis zu einem Meter hoch werden, haben kantige, hohle, rauhaarige und sparrige Stengel. Ihre unteren Blätter sind fiederspaltig und nach oben zunehmend einfacher und lanzettlich wachsend. Sie bilden an den Blattachseln meistens hellblaue, zungenförmige (seltener weisse oder rosa) Blüten aus. Zichorien wachsen an Wegrändern, Böschungen auf Brach- oder Ödland [2].
Wirtschaftlich bedeutsam: Kaffee-Ersatz
Im Nachfolgenden wird auf die Varietät von Cichorium intybus L. besonders eingegangen, weil sie seit Jahrhunderten arzneilich und wirtschaftlich genutzt wird. Die erste nachweislich große Bedeutung startete mit Friedrich dem Großen (1712–1786). Er förderte den Anbau der Wegwarte außerordentlich, weil die Zichorie Grundlage für die Herstellung von Zichorien‑, Mandel‑, oder Ersatzkaffee war. Der Verkauf von sogenannten Brennscheinen, die nötig waren, um die Zichorienwurzeln rösten zu dürfen, floss nämlich der Staatskasse zu. Vorher hatte der preußische König den Handel mit Kaffee zum Staatsmonopol erklärt, um die Abwanderung deutschen Kapitals ins Ausland zu verhindern. Somit oblag der Genuss von Kaffee und von Kaffee-Ersatzprodukten der Kontrolle des preußischen Staates. Einen weiteren Aufschwung erhielt der Zichorien-Anbau während der Napoleonischen Kontinentalsperre (1806–1813), als Napoleon einen Wirtschaftskrieg gegen Großbritanien führte, um den Kontinent gegen die britische Wirtschaft zu schützen. Vor dem 1. Weltkrieg wurden in Deutschland etwa 200 Millionen Kilogramm angebaut, wobei der größte Teil in die Produktion von Ersatzkaffee ging. Die Zichorienwurzel eignet sich aufgrund ihres hohen Inulin-Anteils besonders gut für die Herstellung (55–68 von Hundert der Trockensubstanz). Beim Rösten der Zichorienwurzel wird ein Teil des Inulins in Fruktose und Karamel verwandelt. Außerdem wird der Bitterstoff „Intybin“ durch die Wärme zerstört und das „Röstbitter Cichoral“ gebildet [6]. Das ist der Anteil, der dem Zichorienkaffee die Bitterkeit und Geschmack verleiht. Im 20. Jahrundert spielte Zichorienkaffee besonders im 1. und 2. Weltkrieg eine besondere Rolle: In Ermangelung der teuren und oft nicht zu bekommenden Kaffeebohnen wurde auf Ersatzkaffee zurückgegriffen. Noch heute ist Zichorienkaffee zum Beispiel in Bioläden oder Reformhäusern zu bekommen – dann wird er meistens als nicht koffeinhaltiges, kaffee-ähnliches Genussgetränk verkauft. Eine Warnung vor zu großem Zichorienkaffee-Genuss wird von dem Pharmakologen Hugo Schulz ausgesprochen:
Es heisst, dass anhaltender Genuß von Zichorienkaffee zu Hämorrhoidalleiden und zur Varizenbildung führen könne, und diese ungünstige Wirkung auf eine, in der Zichorienwurzel enthaltene, Substanz zurückzuführen sei, die auf den Gefäßtonus nachhaltig einwirken kann [7].
Inhaltstoffe der Wegwarte
Der bestimmende Geschmacksanteil der Wegwarte ist auch ohne vorheriges Rösten das Bittere. In ihrem Milchsaft sind die bitteren Sesquiterpenlactone wie Cichoroisid A,B,C und Kaffeesäurederivate (mit der Leitsubstanz der Chicoreesäure) enthalten. Die Wegwarte enthält, wie viele andere Heilpflanzen, auch eine Vielzahl an zum Teil noch völlig unerforschten Inhaltstoffen, ist also ein Vielstoffgemisch. Auch bezüglich der Interaktionen dieser Inhaltsstoffe untereinander ist noch vieles noch völlig ungeklärt. Weitere bekannte Inhaltsstoffe sind noch die Flavonoide (Hyperoid), Hydroxycummarine (Umbelliferon), Inulin und Pentosane [8].
Märchenhaftes und Magisches
Dass die Wegwarte so offensichtlich neben den Wegen der Menschen steht, ließ verschiedene Lebenden, Sagen und Märchen entstehen. Häufig kommt die verzauberte und in eine Wegwarte verwandelte Jungfrau oder ein treues Mädchen vor, die am Wegesrand vergeblich auf ihren Liebsten wartet. Dies gab ihr zum einen den Namen, zum anderen wurde die Wegwarte dadurch auch zu einem Sinnbild der Liebe und Treue. Doch auch als Zaubermittel wurde die schöne Heilpflanze verwendet, um beispielsweise jemanden in Liebe entbrennen zu lassen. So pflückten Mädchen geschlossene Blüten der Wegwarten, hielten die Blüten mit Tuch oder Schürze umwickelt und sprachen dazu:
O Wegwart an des Pfades Rand,
Es pflückt ums Glück dich meine Hand,
Schenk mir den Liebsten, Wegwart,
Auf den du hast umsonst geharrt! [8]
Dann legten die Mädchen die Blüten ins Mieder – öffneten sich die Blüten, so bedeutete dies Glück (und vielleicht die Erfüllung des Wunsches).
Magisches soll auch von Paracelsus stammen: Er soll geschrieben haben, dass sich die Wurzel der Wegwarte nach sieben Jahren in einen Vogel verwandelt. Und: Dass Wegwartenblüten, die morgens dunkel, mittags lichtblau und abends weiss aussehen, verwunschene Menschen seien [9, 10].
Monographie der Kommission E
Die Erfahrungen der Altvorderen, dass die Wegwarte ein gutes Magen-Darmmittel sei, wurde von modernen Wissenschaftlern aufgegriffen, untersucht und bestätigt. So wurde die Wegwarte 1984 von Mitgliedern der Kommission E positiv monographiert [11]. Das heißt, der Wegwarte wurde eine therapeutische Wirkung bescheinigt: Die im Herbst gesammelten Blätter und Wurzeln der Wegwarte werden getrocknet und zum Beispiel zu Tee verarbeitet. Als Anwendungsgebiete empfahlen die Wissenschafter Appetitlosigkeit und dyspeptische Beschwerden wie Verdauungsstörungen, Völlegefühle nach dem Essen, frühes Sättigungsgefühl, Oberbauchschmerzen, Unwohlsein, Magenbrennen, Blähungen, Übelkeit oder Erbrechen. Die Kommission E empfahl eine Dosis von 3 Gramm zur Behebung der genannten Beschwerden. Warnhinweise wurden bei Allergien bei Korbblütlern ausgesprochen. Auch bei bekannten Gallensteinprobleme soll der Tee nur in Absprache mit dem Arzt erfolgen.
Tee-Rezept: 3 Gramm getrocknete, zerkleinerte Wegwartendroge aus Blättern und Wurzeln (zum Beispiel aus der Apotheke) werden mit 150 Milliliter kochendem Wasser überbrüht, 10 Minuten lang abgedeckt stehen gelassen. Danach abgeseiht und warm getrunken.
Tee-Rezept: 3 Gramm getrocknete, zerkleinerte Wegwartendroge aus Wurzeln kann alternativ mit 250 Milliliter kaltem Wasser versetzt, aufgekocht und 10 Minuten lang abgedeckt stehen gelassen werden. Danach ebenfalls abseihen und warm trinken.
In der digitalen Hager-Ausgabe von 2006 [12] sind noch weitere volksheilkundliche Anwendungen aufgeführt: Eine Abkochung soll bei Störungen von Leberfunktionen und Gelbsucht, wie auch als mildes Abführmittel genutzt worden sein (wissenschaftlich nicht belegt).
Homöopathisches
Weitere Möglichkeiten der Darreichung bestehen in Form von Tinkturen, Extrakten, Pflanzensaft oder homöopathischen Vergaben [13]. So wird in der Homöopathie die Wegwarte Cichorium intybus ethanol Decoctum (HAB 1.3), die ganze blühende getrocknete Pflanze der Varietäten sativum und intybus bei Verdauungsstörungen (Dyspepsie) verordnet. Neben der Gallensekretionsförderung oder der Appetitanregung hat Roger Kalbermatten einen schönen Hinweis auf den geistig-seelischen Aspekt der Wegwarte gegeben:
Der Mensch geht einen Weg mit vielen Gabelungen, und an jeder Verzweigung muss er sich entscheiden…Die Wegwarte stellte den Menschen mit beiden Beinen in das Jetzt des Augenblicks, weckt aus Träumereien und verbindet mit dem Augenblick, dem Hier und Jetzt… Die Wegwarte öffnet mit ihrer himmelblauen Blüte jeden Tag von neuem ein Fenster… [14].
Einen weiteren Aspekt der Freiheit zeigt Edward Bach, der Begründer der Bachblüten-Therapie: Die Wegwarte gehört für ihn zu den zwölf Heilmitteln. Die blaue Blume korrigiert Menschen, so Bach, die aufopfernd ihre Kinder, Verwandten und Freunde lieben und ihnen dienen. Doch diese Liebe geben sie nicht umsonst, sondern erwarten diese zurück. Da die Liebe jedoch ein Kind der Freiheit ist, führen diese falschen Erwartungen in die Irre. Denn es geht darum, Mitmenschen selbstlos und ohne Erwartungen auf Gegenleistung zu lieben – wobei die Wegwarte hilft [15].
Die Monographie der Euroäpischen Arzneimittel-Agentur
Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA, englisch European Medicines Agency) hat 2013 eine abschließende Monographie zur Wegwarten-Wurzel herausgegeben. Die EMA, die auf europäischer Ebene für Zulassung und Überwachung von Arzneimitteln zuständig ist, beschäftigt sich auch mit pflanzlichen Arzneimitteln. Dabei wird versucht, „harmonisierte“ Monographien auf europäischer Ebene (nicht mehr nur auf nationaler Ebene, wie bei der deutschen Kommission E) zu schaffen. Ziel ist dabei, die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit pflanzlicher Stoffe und pflanzlicher Zubereitungen sicherzustellen. Außerdem sollen bestimmte Standards initiiert werden. Die Wissenschaftler, die die Monographien für die EMA erarbeiteten, legten neue Voraussetzungen für den Begriff der „traditionellen pflanzlichen Arzneimittel“ fest. Das Wissen um zahlreiche Heilpflanzen wird in vielen Ländern auf Grundlage von individuellen Anwendungserfahrungen weitergegeben, teilweise seit Jahrhunderten („Erfahrungsmedizin“). Damit nun eine Heilpflanze zu den traditionellen pflanzlichen Arzneimittel gerechnet wird, legte die EMA eine mindestens 30-jährige Anwendungstradition fest („traditional use“). Eine weitere Möglichkeit, eine Zulassung pflanzlicher Arzneimittel bei der EMA zu erlangen ist das Konzept des „well established use“, das heißt des „gut etablierten Gebrauchs“. Dabei müssen die Arzneimittel mindestens seit 10 Jahren auf dem jeweiligen europäischen Markt sein, und es müssen ausreichend Daten zur sicheren, nebenwirkungsfreien Verwendung existieren. Die Monographie der EMA monographierte nur die Wegwartenwurzel, nicht das Kraut [16, 17]. Dabei wurde sich bei der Beurteilung der medizischen Verwendung auf die traditionelle Nutzung berufen. Arzneimittel der Wegwartenwurzel dienen folglich zur „Linderung von leichten Verdauungsstörungen wie Völlegefühl, Flatulenz und langsame Verdauung, sowie bei vorübergehender Appetitlosigkeit“. Nur Erwachsene oder Kinder über 12 Jahren sollten Arzneimittel mit Wegwarten-Wurzel zu sich nehmen (für unter 12-jährige gibt es keine Studien). Weil die Wegwarten-Wurzel Bitterstoffe enthält, wurde vom HMPC berücksichtigt, dass Appetitlosigkeit beseitigt werden kann. Außerdem wurde noch eine Laborstudie mit einbezogen, die aufzeigte, dass durch Anregung der Gallen-Sekretion der Leber die Fettverdauung unterstützt wird. Somit wurde einer Anwendung für Verdauungsstörungen entsprochen [18].
Kurze Übersicht über phytotherapeutische Wegwartenwurzel-Präparate:
- Wegwarte Kapseln: (Diamant Natuur B.V)
- Wegwarten Spray: (Hecht Pharma) PZN 11713878
- Bach Blütenextrakt Wegwarte Kapseln: (Arnimont Pharma) PZN 06992238
Bitteres ist gesund
Die Geschmacksrichtung Umami wurde Anfang des 20. Jahrhunderts durch den japanischen Chemiker Kikunae Ikeda eingeführt. Umami bedeutet „schmackhaft, würzig, lecker“ und ist der wesentliche Geschmack von Fertiggerichten. Die Entdeckung, dass insbesondere Glutaminsäure die Geschmacksknospen der Zunge zum süßen und als lecker empfundenen zu beeinflussen vermochte, brachte den massenhaften Einsatz von Glutamat in die vor allem asiatischen Küchen. Glutamat wurde auch in die vorgefertigten Lebensmittel gegeben, um den Geschmacksverlust, der durch Kochen, Lagern entsteht wettzumachen. Glutamat geriet unter anderem auch in die Krititk, weil verdorbene Waren damit geschmacklich neutralisiert werden konnten. Außerdem wurden bei Überdosierungen Probleme wie Kopf- oder Gliederschmerzen bekannt. Umami spielt dennoch bis heute eine große Rolle in der industriellen Nahrungsmittelproduktion. Ernährungsberater werden nicht müde darauf hinzuweisen, dass die Verwendung von frischen, regional angebauten Produkten wesentlich gesünder ist. Und dass der Geschmack nicht nur aus Umami, sondern aus einer abwechslungsreichen Nahrung mit den Geschmacksqualitäten süß, salzig, bitter, scharf und sauer bestehen sollte. Leider bevorzugen viele Menschen Süßes – eben weil es so lecker schmeckt. Bitteres hingegen wird sogar vermieden. Das geht sogar soweit, dass in der Nahrungsmittelproduktion Bitteres aus Gemüse herausgezüchtet, Süßes (z.B. bei den Möhren) hingegen verstärkt wird. Leider wird Verbrauchern damit ein Bärendienst erwiesen. Denn Bitteres ist verdauungsfördernd und gehört in die alltägliche Nahrung. Über Bitteres werden auf natürliche Weise die Geschmacksknospen aktiviert, die Produktion von Verdauungssäften in Magen, Galle und Darm angeregt. Salate beispielsweise können ohne Weiteres Bitterhaltiges enthalten: Endivien-Salat ist beispielsweise bitter. Auch junge Löwenzahnblätter von unbedenklichen, d.h. ungedüngten Wiesen oder aus dem eigenen Garten können gepflückt werden und dem Salat beigemengt werden. Auch manche noch nicht zu stark gentechnisch manipulierte Chirorée-Sorten eignen sich, um dem Salat eine im wahrsten Sinne des Wortes appetitanregende Note zu verleihen.
Wegwarte als Agrarprodukt
Die Wegwarte ist eine wichtige Lieferantin für Inulin. Ebenso wie einige andere Pflanzen wie z.B. Chicorée, Tompinambur, Artischocke, Schwarzwurzel produziert die Wegwarte in ihrer Wurzel viel Stärke. Die Pflanze verwendet diese als Reservestoff. Für den Menschen ist es ein günstiges Gemisch aus Polysacchariden, welche aus Fructosebausteinen bestehen. Inulin kommt häufig in der Lebensmittelindustrie zum Einsatz, weil es verschiedene günstige Eigenschaften besitzt. Beispielsweise schmeckt Inulin angenehm süß und verbessert damit das Mundgefühl. Außerdem ist Inulin ein Präbiotikum: Bifidobakterien – nützliche Darmbakterien – nehmen Inulin als gut verdaulichen Ballaststoff auf und wirken sich positiv sowohl im Darm als auch auf den ganzen Körper aus. Durch zahlreiche Studien konnte eine günstige Beeinflussung zum Beispiel auf die Regulierung des Stuhlgangs, auf Nerven und Psyche, aber auch auf eine Verbesserung verschiedener chronischer Erkrankungen nachgewiesen werden. (Mehr siehe Artikel: Darmgesundheit: Superorganismus Mensch).
Autorin
• Marion Kaden, Berlin, 2018.
Bildnachweis
• Marion Kaden, Berlin, 2018.
Quellen
[1] Des Pedanios Dioskurides aus Anazarbos: Arzneimittellehre in fünf Büchern. Enke, Stuttgart, 1902.
[2] Gerhard Madaus: Lehrbuch der biologischen Heilmittel. Thieme Verlag, Leipzig, 1938 (Volltext Monographie Wegwarte).
[3] Hieronymus Bock: Das Kreütter Buch, Darinn Underscheidt, Namen vnnd Würckung der Kreutter, Stauden, Hecken vnnd Beumen, sampt jhren Früchten, so inn Deutschen Landen wachsen Durch H. Hieronymum Bock auss langwiriger vnd gewisser erfarung beschrieben. Josias Rihelm, Straßburg, 1556 (Scan – 1.2 GB!).
[4] Sebastian Kneipp: Pfarrer Kneipps Hausapotheke: Kräuter, Tees, Tinkturen, Öle und Pulver aus des Herrgotts Garten. Jopp Oesch, Zürich, 2005 (bei Amazon kaufen).
[5] Johann Künzle: Das grosse Kräuterheilbuch: Ratgeber für gesunde und kranke Tage nach der giftfreien Heilmethode und den Originalrezepten. Patmos, Düsseldorf, 2006 (bei Amazon kaufen).
[6] Ludwig Kroeber: Das Neuzeitliche Kräuterbuch. Hippokrates Marquardt, Stuttgart, 1948.
[7] Hugo Schulz: Vorlesungen über Wirkung und Anwendung der Deutschen Arzneipflanzen. Thieme, Leipzig, 1929.
[8] Blaschek W, Ebel S, Hackenthal E, Holzgrabe U, Keller K, Reichling J, Schulz V (Hrsg.): Hagers Handbuch der Drogen und Arzneistoffe (HagerROM 2006). Springer, Heidelberg, 2006 (bei Amazon kaufen).
[9] Hartwig Abraham, Inge Thinnes: Hexenkraut und Zaubertrank. Unsere Heilpflanzen in Sagen, Aberglauben und Legenden. Freund, Greifenberg, 1995 (bei Amazon kaufen).
[10] Siegfried Bäumler: Heilpflanzen Praxis Heute. Porträts, Rezepturen, Anwendungen. Urban & Fischer Verlag, München, 2006 (bei Amazon kaufen).
[11] Monographie BGA/BfArM (Kommission E): Cichorium intybus (Wegwarte). Bundesanzeiger: 23.4.1987., Heftnummer: 76., ATC-Code: A16AY (Volltext).
[12] siehe [8]
[13] Monographie BGA/BfArM (Kommission D): Cichorium intybus (Cichorium). Bundesanzeiger Nr. 109 a vom 16.6.1987 (Volltext).
[14] Roger Kalbermatten, Hildegard Kalbermatten: Pflanzliche Urtinkturen: Wesen und Anwendung. AT Verlag, Baden und München, 2005 (bei Amazon kaufen).
[15] Edward Bach: Die Heilende Natur. Die Gedanken des Begründers zur Bach-Blüten-Therapie zum Wesen von Krankheit und Gesundheit. Heyne Verlag, München, 1990.
[16] Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC): Cichorii intybi radix – herbal medicinal product (Chicory root). European Medicines Agency (EMA), (London)/Amsterdam, 2022 (Overview).
[17] Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC): Wegwartenwurzel – Cichorium intybus L., radix (EMA/HMPC/286842/2013). European Medicines Agency (EMA), (London)/Amsterdam, 16. Juni 2016 (Volltext).
[18] Knöss W, Wiesner J: Der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC, Committee on Herbal Medicinal Products). Harmonisierte europäische Monogafien für pflanzliche Stoffe und pflanzliche Zubereitungen. In: Zeitschrift für Phytotherapie 2017; 38:11–14.
Weitere Infos diese Website
• Wegwarte zur Entschlackung.
• Wegwarte bei Maria Treben.
• Lösung der Darmträgheit.