Wein

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Wein (Vinum) ist im engern Ver­stan­de eine Art ver­süß­ter Gewächs­säu­re mit­telst der ers­ten Gäh­rung (w.s.) bei etwa 60° Fahr. aus Wein­beer­saf­te (Mos­te) ent­stan­den, einer Flüs­sig­keit, die aus Was­ser, Zucker, Wein­stein­säu­re, und thie­r­i­schem Lei­me, nebst eini­gen min­der wesent­li­chen Sub­stan­zen, zusam­men­ge­setzt ist. In voll­kom­me­nem Zustan­de ist er leich­ter als destil­lir­tes Was­ser (z.B. Bur­gun­der von 0, 932). Nur dann, wenn er mehr Extrak­tiv- und Zucker­stoff ent­hält, ver­mehrt sich sei­ne Schwe­re (z.B. rother Port­wein von 0, 993), und wird beim Ueber­ge­wich­te des lez­tern selbst schwe­rer als Was­ser (z.B. Kana­ri­en­sekt von 1, 033). Er ist von erqui­cken­den­dem Geru­che und kräf­ti­gem, bele­ben­dem Geschma­cke, immer im Ver­hält­nis­se der in ihm befind­li­chen eigent­li­chen Wein­sub­stanz, der der süd­li­chern Län­der mehr als der der nörd­li­chen. Letz­te­re ent­hal­ten gewöhn­lich ein grö­ße­res Ver­hält­niß Wein­stein­säu­re und Was­ser. Alle unver­dorb­nen Wei­ne ent­hal­ten Luft­säu­re; aber die schaal gewor­de­nen nicht. Eini­ge ent­hal­ten auch wohl ein Ueber­maas an Luft­säu­re (wegen künst­lich gehemm­ter Gäh­rung), wie Cham­pa­gner­wein. Die Far­be der rothen Wei­ne beruht auf einem adstrin­gi­ren­dem Har­ze, aus der rothen Scha­le der Bee­ren durch die Gäh­rung gezo­gen. In voll­kom­me­nem Wei­ne die Säu­re vom Wein­geis­te sehr voll­kom­men gebun­den, der­ge­stalt, daß lez­te­rer nicht, wie in frei­em Zustan­de, schon bei einer nied­ri­gen Tem­pe­ra­tur sie­den, auf­stei­gen und ent­wei­chen kann; viel­mehr bedarf der voll­kom­me­ne Wein, um den Wein­geist aus ihm in der Destil­la­ti­on zu schei­den, die vol­le Hit­ze des sie­den­den Was­sers. Jun­ger Wein gie­bt in der Destil­la­ti­on mehr Wein­geist, als der alte. Der voll­kom­me­ne und ganz hel­le Wein, hält sich in rei­nen, völ­lig luft­dicht ver­schlos­se­nen Gefä­ßen vie­le Jah­re lang unzer­setzt und in vol­ler (auch wohl erhö­he­ter) Güte; nur beim Zugang der atmo­sphä­ri­schen Luft, bei stär­ke­rer Wär­me (über 65° Fahr.) und unter Bewe­gung wird er trü­be, und geht in die zwei­te, die Essig­gäh­rung über, w.s.

Aus­ser der Abzie­hung des Wein­geis­tes dar­aus, hat man sich auch eini­ger Wei­ne zu arz­nei­li­chen Auf­güs­sen der Gewäch­se (Kräu­ter­wei­ne, vina medi­ca­ta) bedient, wel­che den geis­ti­gen Tink­tu­ren sehr nahe kom­men Tink­tu­ren. Wegen der in ihnen befind­li­chen Säu­re hat man sich ihrer zur Auf­lö­sung des Spieß­glanz­gla­ses bedient, um, (z.B. durch Auf­guß des spa­ni­schen Weins mit lez­term) Brech­wei­ne zu berei­ten; ein sehr unsich­res Ver­fah­ren. bei Spieß­glanz­glas unter Spieß­glanz. In Rhein­wei­ne läßt man Eisen zu einer in der Bleich­sucht kräf­ti­gen Eisen­tink­tur auf­lö­sen, und in eben dem­sel­ben löset man Krebs­stei­ne auf, um ein harn­trei­ben­des Mit­tel hervorzubringen.

Vor sich und allein als Arz­nei gebraucht, rühmt man von guten Wei­nen mit Recht eine ermun­tern­de, Lebens­kraft erhö­hen­de, und den Puls beschleu­ni­gen­de Eigen­schaft und fin­det ihn im zwei­ten Sta­di­um der Faul­fie­ber und im Typhus als eine der hülf­reichs­ten Arz­nei­en, sonst auch zur Bele­bung in Asphy­xien, bei Erschöp­fun­gen von Hun­ger, u.s.w. Aeus­ser­lich unter­stützt er die stär­ken­den Bähun­gen, bei Quet­schun­gen, kal­tem Bran­de, u.s.w. Die schnel­len Fol­gen von sei­nem Mis­brau­che, Sinn­lo­sig­keit, Trun­ken­heit, Schlag­fluß kön­nen zuwei­len durch eini­ge Trop­fen Kirsch­lor­beer­was­ser geho­ben werden.

Doch steht sei­nem frei­en Gebrau­che auch die nicht selt­ne Ver­fäl­schung mit man­cher­lei schäd­li­chen Ingre­di­en­zen im Wege. Die Ent­de­ckung des (um die Säu­re der schlech­tern Wei­ne zu ver­sü­ßen) zuge­füg­ten Blei­es geschieht am bes­ten durch das ange­säu­er­te schwe­fel­le­ber­luft­hal­ti­ge Was­ser (Hah­ne­manns Wein­pro­be unter Schwe­fel); die Anma­chung des gerin­gern Weins mit Wein­geist (um ihm Stär­ke zu geben), ent­deckt man durch Destil­la­ti­on des ver­däch­ti­gen Wei­nes im Was­ser­ba­de, wobei der Gehalt an frei­em Wein­geis­te über­geht, wäh­rend der durch die Gäh­rung gebun­de­ne, zum Wei­ne selbst gehö­ri­ge Wein­geist bei die­sem Hitz­gra­de nicht über­ge­hen kann. Die Ver­fäl­schung des Wei­nes mit Alaun ent­deckt man vor­läu­fig durch die Weiß­trü­bung bei Zutröp­fe­lung des auf­ge­lö­se­ten Pota­schlau­gen­sal­zes, dann aber, um die Men­ge des Alauns zu bestim­men, durch Abdamp­fung des­sel­ben bis zur Hälf­te und Ver­mi­schung mit einem dop­pel­ten Gewich­te des was­ser­frei­es­ten Wein­geis­tes; wor­auf sich der Alaun in krystal­li­nisch­kör­ni­ger Gestalt bin­nen 24 Stun­den absetzt. Auch der all­zu sehr mit Schwe­fel­dampf durch­zo­ge­ne (geschwe­fel­te) Wein (um sein Umschla­gen, das Schaal­wer­den und die Essig­gäh­rung zu ver­hin­dern) und der Zusatz der Mus­ka­tel­ler­sal­bei oder der Schwarz­hol­der­blu­men (um den Geschmack des natür­li­chen Mus­ka­tel­ler­weins nach­zu­ah­men) kann in mehr als einer Rück­sicht der Gesund­heit nacht­hei­lig werden.

Der wei­ße Franz­wein, der Pontack, der Rhein­wein und der wei­ße spa­ni­sche Wein sind die zu arz­nei­li­chen Absich­ten gewöhnlichsten.

Die Wein­he­fen (faeces vini) sind der unter dem abge­klär­ten, geg­ohr­nen Wei­ne abge­setz­te Boden­satz, wel­cher noch Wein, und Luft­säu­re, am meis­ten aber Gewächs­leim und Wein­stein ent­hält. Sie die­nen zur Destil­la­ti­on des Franz­brannt­weins in Wein­län­dern, in ver­schlos­se­nen Gefä­ßen gebrannt, zur Berei­tung der Kup­fer­dru­cker­schwär­ze und ganz ein­ge­äschert zur Erlan­gung eines ziem­lich rei­nen Laugensalzes.