Würzvanille

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Würz­va­nil­le, Epi­den­dron Vanil­la, L. [Zorn, pl. med. tab. 288] mit klet­tern­dem Sten­gel, opal­läng­lich­ten stiel­lo­sen Sten­gel­blät­tern und spi­ral­för­mi­gen Gäbel­chen; ein ran­ken­der Strauch im süd­li­chen Ame­ri­ka, wel­cher kaum aus der Erde ent­spros­sen die aus sei­nen Kno­ten spros­sen­den Wür­zel­chen in die Rin­de der nahen Bäu­me ein­senkt, und beim Fort­krie­chen aus lez­te­ren sei­ne Nah­rung zieht, wäh­rend die Erd­wur­zel abstirbt. Auf Cayenne und Jamai­ka wird er künst­lich gezo­gen. Die Blü­t­he der bes­ten Spe­zi­es oder Varie­tät ist schwärzlicht.

Sei­ne Früch­te, die Vanil­le­scho­ten (Vanil­la, Sili-quae Vanil­lae, Vanig­liae) erhal­ten wir in Bün­del zusam­men gebun­den, (jedes Bün­del von 50 Stück muß wenigs­tens fünf Unzen wie­gen) in dün­ne Blei­blätt-chen gewi­ckelt und in höl­zer­ne Kis­ten gepackt, wovon die bes­te Sor­te (Leyoder Leggenannt) fast sechs Zoll lang, vier Lini­en oder eines Schwa­nen­kiels breit und dick, doch etwas zusam­men­ge­drückt, dun­kel­braun, mit fei­nen Län­ge­run­zeln besetzt, schim­mernd, aber nicht glän­zend, an bei­den Enden stumpf zuge­spitzt, am Stie­len­de etwas gekrümmt, bieg­sam und doch zer­brech­lich, ein­fä­che­rig, von zähem Flei­sche, inner­lich der Län­ge hin mit sehr vie­len ganz klei­nen, Sand­korn gro­ßen, rund­li­chen, schwar­zen Samen­kör­nern ange­füllt, und von sehr ange­neh­mem, meh­re­re Tage lang an den Fin­gern hän­gen blei­ben­dem Geru­che und star­kem, süß­licht aro­ma­ti­schem, hit­zi­gem, ange­neh­mem, mit dem Geru­che über­ein kom­men­dem Geschma­cke sind. Sie geben ein geruch­vol­les Was­ser in der wäs­se­ri­gen Destil­la­ti­on, der Wein­geist nimmt wenig Riech­ba­res in der Destil­la­ti­on mit sich, beim Auf­gus­se aber zieht er so wie das hei­ße Was­ser Geschmack und Geruch voll­stän­dig aus.

Als Tafel­ge­würz macht er ein Haupt­in­gre­di­enz der Scho­ko­la­te aus, die man dann für ein Geschlechts­trieb beför­dern­des Mit­tel hält; aber der Betrug schiebt ihr auch hier den Sto­rax oder den Peru­bal­sam unter. Zu Gefror­nem wird er eben­falls genommen.

Schon in ältern Zei­ten soll die Vanil­le gegen Melan­cho­lie in Eng­land (etwa zu 12 Gran auf die Gabe) ange­wen­det wor­den seyn; die Neu­ern fri­schen die­ses Gerüch­te wie­der auf, ohne That­sa­chen bei­zu­brin­gen. Siche­rer ist es, daß da der Genuß die­ser Dro­gue Tro­cken­heit des Mun­des und eine zusam­men schnü­ren­de Emp­fin­dung im Magen erregt, sie auch der­glei­chen hei­len kön­ne, wie man auch schon durch die Erfah­rung über­zeugt wor­den ist. Die gerühm­te Monat­zeit erre­gen­de Wir­kung der­sel­ben beruht blos auf ihrer gro­ßen Erhit­zungs­kraft (die uns behut­sam bei ihrer Anwen­dung machen soll­te) und die Harn­trei­ben­de beruht nur auf einer Sage.

Die zwei­te Sor­te (von den Spa­ni­ern pom­po­naoder bova, die auf­ge­bla­se­ne genannt) ist dicker, kür­zer, plat­ter, mit einem flüs­si­gen Wesen und vie­len senf­korn­gro­ßen Samen ange­füllt und von einem all­zu star­ken, Kopf­weh erre­gen­den Geruche.

Die drit­te Sor­te, wel­che vor­züg­lich von Dom­in­go kömmt, und deren Mut­ter­strauch wei­ße Blu­men hat, ist die (in allen Rück­sich­ten klei­ne­re) soge­nann­te Bas­tard­va­nil­le (Sima­ro­na). Sie ent­hält ein trock­nes Mark, sehr klei­ne, schwar­ze Samen und ist äus­ser­lich von gilb­li­cher Far­be und fast ohne Geruch.

Noch eine Sor­te sehr dicker, kur­zer Vanil­le­scho­ten von Pflau­men­ge­ruch, wel­che aus Hin­du­stan kömmt, ist unkräf­tig und unbrauchbar.

Beim Ein­kau­fe muß man die Pack­te immer öfnen, um zu sehen, ob nicht eini­ge Scho­ten die­ser schlech­tern Sor­te mit ein­ge­bun­den sind, oder sol­che, die ihres Mar­kes (des kräf­tigs­ten Theils) berau­bet, mit einer fremd­ar­ti­gen Mate­rie ange­füllt und wie­der zuge­leimt wor­den, oder sol­che alte, geruch­lo­se Scho­ten, die man mit einer Mischung aus Man­del­öl, Sto­rax und Peru­bal­sam wie­der ange­stri­chen hat; die­se sind äus­ser­lich glän­zen­der, als sie seyn soll­ten, und inner­lich geruchloser.

Ein Ueber­zug von glän­zen­den Salz­blu­men ist der guten Vanil­le eigen; es ist das wesent­li­che inwoh­nen­de Salz, wel­ches von der Hit­ze wäh­rend des Trans­ports aus­ge­blü­het ist.